Eines steht für mich definitiv außer Frage: Luca Guadagnino zählt mit Sicherheit zu den detailverliebtesten & perfektionistischsten Regisseuren seiner Zeit. Völlig belanglos, welches Thema er in seinen Filmen behandelt, er ist permanent auf der Suche, „Kleinigkeiten“ in den Fokus zu stellen und ihnen eine für die Handlung erhebliche Wichtigkeit beizumessen. Alleine schon wie er in seinem echt kontroversen Titel „Bones & All“, Kanibalismus als etwas völlig Menschliches, alltägliches, fast schon romantisches deklariert, indem er die Kamera immer wieder im Close-up auf explizite Szenen verharren lässt, um somit die Beziehungsebene zwischen Charakter und der Tätigkeit selbst - die diese gerade ausführt - zu verstärken. Außerdem spielt er irrsinnig freizügig mit dem Zoom und setzt gekonnt Slow-Motion ein, um die Dramaturgie einzelner Szenen deutlich zu verstärken. Diese romantisierende Zentralisierung von essenziellen Handlungsbausteinen, dürfte sein ganz spezielles Markenzeichen sein, welches sich auch in seiner aktuellen Produktion - „Challengers - Rivalen“ ausmachen lässt.
Denn hier verfolgen wir Tashy, eine aufstrebende Profispielerin im Tennissport, die sich plötzlich in einem Beziehungsdreieck mit zwei Männern wiederfindet, die im Challenger-Turniermodus unterwegs sind. Schnell wird klar, dass es hier nicht nur darum geht, ein sportliches Statement zu setzen, sondern auch darum, wie mit diversen Machtverhältnissen umgegangen wird, einen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, anzukommen und vor allem darum, wer die Gunst der Stunde erhält, Tashy als „Trophäe“ mit nach Hause nehmen zu dürfen. Vor allem aber geht es um den nicht vorhandenen Selbstwert der Charaktere, der so drastisch hin und her schwankt, wie ein völlig ramponierter Pulsmesser. Dabei nutzt Guadagnino den Center-Court und den ganzen Tenniszirkus abseits des Platzes nicht nur als reines Mittel zum Zweck, sondern hebt diesen elitären Sport immer wieder ins Zentrum, um maximale Spannungsmomente aus dem Setting zu ziehen und schlussendlich aus dieser (sexuell) aufgeladenen Konstellation ein Drama entwickeln zu können, das am Papier zugegebenermaßen zahm und harmlos wirkt, jedoch auf den zweiten Blick sein wahres Naturell preisgibt. Denn: „Challengers“ ist ein verdammt giftiges, moralisch durchaus verwerfliches Filmchen, ohja, wie es Hitchcock in seiner dramaturgischen wie stilistischen Aufarbeitung GELIEBT hätte. Klar, Blut spritzt hier definitiv keines über die Leinwand, aber Neid und Eifersucht kochen brutal über und der Schweiß tropft in Nahaufnahme - literweise - von den Nasenspitzen, Handgelenken oder Stirnbändern. Und das Ganze auch noch mit der Kamera so explizit, detailverliebt und mit dem feinsten Maß an sexueller Impulsivität eingefangen, sodass man es vom Zuschauerplatz glatt als Aphrodisiakum wahrnehmen könnte.
Außerdem sexualisiert Guadagnino herrlich plump die Geschlechterrollen, wie man es sich heutzutage ohnehin nicht mehr traut.
Was soll ich sagen? Das Ding hat mich zwei Stunden lang richtig weggeknallt, wie ein verfluchtes 200km/h-schnelles Service aus drei Metern Entfernung, mitten ins Gesicht! Die Kamera ist in jeder Lage 1A, die Slow-Mo-Einsätze mega konzipiert, Zendaya spielt herausragend auf (zudem habe ich sie noch nie so lasziv-dargestellt gesehen.) und der Score ist so ungewöhnlich reißerisch, dass ich einfach nur Beifall klatschen möchte. Alleine schon diese Hotelzimmer-Szene, mit der bereits im Trailer geworben wurde, ist so verflucht sensationell (gespielt), dass es eigentlich die Höchstpunktzahl geben müsste. Allerdings hatte ich durchweg das Gefühl, dass Guadagnino dennoch auf der Bremse steht und hier definitiv mehr Drama, mehr Brisanz, mehr Inhalt drinnen gewesen wäre, jedoch meckere ich auf ganz hohem Niveau. Und wären da nicht diese letzten 5 Minuten, DIE ALLERLETZTEN 5 Minuten, wo Guadagnino viel zu tief in die Kitsch-Schublade greift und damit leider vieles kaputt macht, hätte ich für diese Spitzenproduktion - ohne zu zögern - die 10/10 ausgepackt.
Inhaltsangabe:
Die ehemalige Tennisspielerin und heutige Trainerin Tashi hat ihren Mann Art in einen weltberühmten Grand-Slam-Champion verwandelt. Um ihn aus seiner jüngsten Pechsträhne aufzurütteln, meldet sie ihn für ein "Challenger"-Turnier an - die unterste Stufe der Profi-Turniere -, bei dem er seinem ehemals besten Freund und Tashis Ex-Freund gegenübersteht.
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