FILMKRITIK: „KILLERS OF THE FLOWER MOON“ (Drama/Krimi/Western - 2023)



„Taxi Driver“, „GoodFellas“, „Kap der Angst“, „Casino“, „Gangs of New York“, „Aviator“, „Departed“, „Shutter Island“, „The Wolf of Wallstreet“, „The Irishman“.


Nein, das sind nicht nur wahllos aufgezählte Filmtitel, sondern MEINE persönlichen Scorsese-Lieblinge, die ich über die Jahre hinweg extrem lieb gewonnen habe und die in den von mir aufgestellten Top-Listen, immer wieder mal zum Thema gemacht werden. Ausgezeichnet mit dem Regie-Oscar, mehrfacher Globe-Gewinner und BAFTA-Winner, zählt er für mich zu den erfolgreichsten Filmemachern überhaupt. Eines muss man jedoch an der Stelle sagen: Wer mit dem speziellen schwarzen Humor von Scorsese nicht klarkommt, die Art und Weise seines ausgedehnten Storytellings nicht zu schätzen weiß, dem werde ich Scorsese niemals ans Herz legen können, denn dafür ähneln sich seine Produktionen im Hinblick auf ihre Machart viel zu sehr. Ähnliches gilt für Nolan, Tarantino, uvm. Soll heißen: Hat man mit dem Grundton von Scorsese Probleme, dann wird das im Leben nix. Nur so als Warnung am Rande!


Ein weiterer interessanter Fakt über Scorsese: Er ist ja generell ein Regisseur, der sich auf ausgedehnte Konzepte einlassen kann und die „normale Spieldauer“ eines Films gerne mal überschreitet. Mit „The Irishman“ hat er es nun endgültig auf die Spitze getrieben und sich damit auf die Liste der fünf längsten Hollywood-Produktionen gesetzt. Mit einer Laufzeit von 3h 29m kommt dieses Star besetzte Mafia-Epos derart gewaltig um die Ecke, dass man sich ernsthaft fragt: Muss das sein? Im Falle von „The Irishman“: JA, DAS MUSS SEIN! Denn diese Story ist einfach nur bombastisch erzählt und hat - meiner Meinung nach - kein Gramm zu viel! Ein wahres Meisterwerk.


Bei „Killers of the Flower Moon“ gibt er sich ja etwas dezenter, hat sich ein wenig zurückgehalten und seinen eigenen Irishman-Highscore (was die Spielfilmlänge betrifft) um ganze 3 Minuten unterschritten. 


Ja, auch sein neuestes Werk ist ein wahrhaftiges Monstrum und kommt mit wieder mit beinahe 3 1/2 Stunden über die Kinoleinwand/Flimmerkiste. Ein echter Klopper, wie man so schön sagt. Das mag jetzt für einige/viele von euch abschreckend wirken, hat aber zunächst überhaupt nichts zu bedeuten. Vor allem hat Scorsese schon bewiesen, dass er auf diese Distanz bestehen kann; und ich bin mir daher ganz sicher: Er würde NIEMALS einen mehr als dreistündigen Film produzieren, wenn er diese Zeit nicht ernsthaft benötigen würde, um seine Story unterzubringen.


Die Frage ist nicht, ob er’s grundsätzlich drauf hat, sondern: Haben die Erzählstränge, die Rahmenbedingungen und alle beteiligten Charaktere so viel Substanz, so viel Tiefe, dass sich all das auf 3h 29m erzählen lässt? Und: Hält er damit das Publikum bei der Stange?


Meine glasklare Antwort lautet: NEIN!


Es ist - berichtigt mich, wenn ich falsch liege - das mittlerweile 6. Mal das DiCaprio mit Scorsese zusammenarbeitet, für De Niro bereits das 10. Mal und in „Killers of the Flower Moon“ begegnen sich beide Schauspieler nun zum ersten Mal unter Scorseses-Langspielfilm-Flagge (wenn man „The Audition“ als Kurzfilmprojekt wegrechnet.) und was soll ich sagen: Die SchauspielerInnen - würde ich jetzt mal behaupten - sind das Lebenselixier dieses mehrstündigen True-Crime-Epos.


Klar nimmt die Erzählung rund um die Südstaaten-Genozide des Osage-Stammes und deren Kämpfe um die kapitalistische sowie territoriale Vormachtstellung (im Hinblick auf Öl-Vorkommnisse) in ihrem Land einen enormen Stellenwert ein, keine Frage und es ist zudem von extrem hoher Wichtigkeit, diese Thematik so eingehend wie nur möglich zu behandeln, aber wir haben es letztendlich auch mit einem Unterhaltungsfilm (Krimi/Drama/Western) zu tun, der zwar nach wahren Begebenheiten greift, dennoch für die breite Masse in Suspense-Manier auf die Leinwand muss. Und da spielen drei Faktoren eine wesentliche Rolle: das Handlungskonstrukt per se, die Charakterdarstellung und die schauspielerischen Leistungen.


Ich habe es oben schon erwähnt: De Niro & DiCaprio sind für mich unfassbar starke Präsenzen (obwohl die Figur von DiCaprio echt gewöhnungsbedürftig ist, das muss ich schon sagen), die jeweils einzeln, aber auch im Zusammenspiel, hervorragend funktionieren und stellen somit das schauspielerische Grundelixier des Films dar, ABER: Lily Gladstone ist das absolute, absolute, absolute HERZSTÜCK des Films, sie trägt diese schwerfälligen dreieinhalb Stunden auf ihren Schultern und nimmt ihren starken Part (mal zurückhaltend, mal stürmisch, temperamentvoll) in diesem Fiasko derart ernst, dass es einer einzigen Freude gleichkam, sie in dieser für sie maßgeschneiderten Rolle zu erleben. Jetzt kommt das fette ABER: Der Film ist eindeutig zu lang, zu detailverliebt, zu ausschweifend, er ist viel zu häufig am Thema vorbei erzählt und nimmt sich somit selbst die Durchschlagskraft, die er eigentlich haben müsste! Zu Beginn dachte ich noch: YES! Das wird eine richtig geile Nummer, aber nach ca. 40 Minuten beginnt sich das Ding völlig abzunutzen, sich unnötigerweise zu ziehen wie Kaugummi und kommt mit einem aufgeblasenen Mittelstück um die Ecke, das einfach nicht notwendig gewesen wäre. Außerdem werden Figuren über Figuren eingeführt, die keine Sau braucht, die der Geschichte keinen Millimeter nach vorne helfen und schlichtweg nur dazu da sind, um ihre Screentime würdevoll abzusitzen.


Ich will da gar nicht lange um den heißen Brei herumreden, bzw. mich in geschichtlichen Details verstricken (die könnt ihr ohnehin im Netz nachlesen!), aus diesem Grund schreite ich direkt voran zum Fazit:


Martin Scorsese hat mit „Killers of the Flower Moon“ ein immens wichtiges Stück amerikanischer Ureinwohner-Geschichte aufgegriffen und das Jahrzehnte lange Ringen um territoriale Vormachtstellungen, den Kampf um Besitz und Eigentum des schwarzen Goldes und den damit verbundenen kapitalistischen Gräueltaten, in eine bildgewaltige 3 1/2 Stunden-Produktion gesteckt, die vor filmischen Inspirationsquellen nur so strotzt: Das Set-Design ist an den Original-Schauplätzen angesiedelt und sieht dementsprechend hervorragend aus. Der Cast, wie bei Scorsese gewohnt, stark, allen voran Lily Gladstone, die den gesamten Film auf allen Ebenen der Schauspielkunst trägt und für mich persönlich DAS Highlight des Films darstellt. Sind dreieinhalb Stunden nun für diese Filmproduktion zu lang? EINDEUTIG! Der Film nutzt sich rasant ab, trabt Minute um Minute auf derselben Stelle, kommt einfach nicht zum Punkt und gipfelt in einem unnötig aufgeblasenen Mittelteil, der in seiner ausschweifenden Form nicht nötig gewesen wäre. Am Ende nimmt das Ganze zwar noch etwas Fahrt auf, allerdings ist das meiner Meinung ZU WENIG! Man könnte abschließend sagen: Es wäre diese utopische Spielzeit NIEMALS vonnöten gewesen, hätte Scorsese sich auf die wesentlichen Story-Parts konzentriert. Und so versinkt „Killers of the Flower Moon“ in der Story-Endlosschleife. Mit einem Wort: SCHADE!


Inhaltsangabe:


Die USA in den 1920er Jahren: Auf dem Gebiet der Osage Nation im Bundesstaat Oklahoma wurde jede Menge Öl gefunden, weswegen die dort lebenden indigenen Völker Nordamerikas zu großem Reichtum gelangt sind. Doch auch die Weißen Siedler haben es auf das schwarze Gold abgesehen, allen voran der einflussreiche Rancher William Hale und dessen Neffe Ernest Burkhart, der mit der Osage Mollie verheiratet ist. Unter den Angehörigen des Osage-Stammes kommt es plötzlich zu immer mehr Todesfällen, die irgendwie im Zusammenhang mit den begehrten Ölbohrrechten zu stehen scheinen. Dies löst eine groß angelegte Untersuchung einer völlig neuen Polizeieinheit – dem FBI – aus. Tom White, ehemaliger Texas Ranger und Gesetzeshüter alter Schule, leitet die Ermittlungen für die neue Bundesbehörde und stößt dabei in ein Wespennest aus Korruption und Mord...

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