Rezension: "Bildrauschen“ von Bernhard Aichner

Egal wie oft ich Bernhard Aichner lese, seine Arbeit als Schriftsteller kritisch zu betrachten versuche, völlig irrelevant, wie sehr ich mich darum bemühe, Fehler in seinen Konzeptionen, Unstimmigkeiten in seinen Figuren-Arrangements, Makel in seinen Schriftbildern zu finden - das ist schließlich die Aufgabe eines Kritikers -, ich kann auch hier bei „BILDRAUSCHEN“ nichts erkennen, das einem abgedroschenen Muster folgt, das schlecht strukturiert wurde, das sich in langwierigen Passagen verstrickt, oder dazu verleitet, irgendetwas anderes zu tun, als das Ding gnadenlos zu Ende zu bringen.


In seinem mittlerweile vierten Bronski-Krimi hat Bernhard Aichner sich und den LeserInnen einen riesengroßen Gefallen getan: Er hat den eigenbrötlerischen Pressefotografen in die abgeschiedene Einöde verbannt, lässt das malerische Winter-Wonderland zum klaustrophobischen Kammerspiel werden, würzt das Ganze mit einer im Schnee liegenden Frauenleiche und jeder Menge Tatverdächtigen, die ALLE Grund genug dazu haben, sich der hübschen Blondine zu entledigen. Und Bernhard Aichner formt aus diesem perfekten atmosphärischen Setting, einen manipulativen Whodunit-Krimi, der sich liebevoll um die Charaktere kümmert, der täuscht, manipuliert, betrügt, jede Menge böses Blut bereithält und - wieder einmal - viel Feingefühl für die schriftliche Umsetzung übrig hat. Wer meine Besprechungen regelmäßig verfolgt, der weiß auch, dass ich ein GROSSER FAN seiner lakonischen Art des Storytelling und insbesondere seiner Dialoge bin, die für mich in der Branche sowieso zur absoluten Elite zählen. Darüber müssen wir uns eigentlich nicht mehr unterhalten. Worüber man sehr wohl sprechen sollte, ist die Handlung von „Bildrauschen“, denn die ist wirklich außergewöhnlich gut geworden.


Auch hier gelingt ihm abermals diese feine Abmischung zwischen Krimi-Geschehen, Bronskis Persönlichkeitsweiterentwicklung und stilistischer Finesse, quasi den Wesenszug einer klassischen Ermittlungsstory (in Verhör-Manier, die Aichner auch schon in „Der Fund“ verwendet hat), mit jener einer entfalteten Charakterstudie zu kombinieren. 


Alleine schon die folgende Textpassage zeigt deutlich, wie detailliert, wie philosophisch er die Bausteine setzt und sie Ebene um Ebene verdichtet, eine Herangehensweise, die man im Thriller-/Krimi-Genre kaum findet:


„Es ist die Stille, die mich anzieht. Das Ende von allem. Es geht um die Vase, die nach einem lauten Streit zerbrochen am Boden liegen bleibt. Nicht der Konflikt, der dem Streit vorausgeht, interessiert mich, die Scherben sind es, die Blumen, die ohne Wasser verwelken.“


Zusammenfassend lässt sich für mich resümieren, dass Bernhard Aichner in „Bildrauschen“ verdammt gute Arbeit geleistet hat. Die Erzählung ist in allerbester Manier unterhaltsam, überzeugt durch eine - wie kann es auch anders sein - höchst unkonventionelle Schreibweise, setzt dieses Mal ganz stark auf die Atmosphäre-Karte, hält den ein oder anderen stilistisch cleveren Schachzug bereit und knüpft in Bezug auf die emotionale Ebene nahtlos an den Vorgängerromanen an. Auch wenn „Dunkelkammer“ den Beginn der Bronski-Zeitrechnung markiert, so ist in der Summe aller Einzelteile „Bildrauschen“ der bislang ausgereifteste und mit Sicherheit einprägsamste Teil der Reihe. 


Inhaltsangabe:


Der Pressefotograf David Bronski nimmt eine berufliche Auszeit in den Tiroler Bergen. Aber das Unheil der anderen, von dem er seit über zwanzig Jahren lebt, verfolgt ihn. Auf einer Schneeschuhwanderung findet er eine Frauenleiche. Die Spuren am Tatort führen ihn zu einem abgelegenen Luxus-Chalet, in dem fünf Social-Media-Stars ihr Wochenende verbringen. Große Schneemengen fallen, Lawinen gehen ab, und das Chalet wird zum Escape-Room. Niemand kann entkommen, auch Bronski nicht.

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