FILMKRITIK: „MEN“ (Horror/Drama - 2022)



Bei der Kernbotschaft des Films lassen sich zwei verschiedene Ansätze verfolgen. Der gewöhnlichste und plakativste wäre wohl: „Männer sind Schweine“, damit wäre die Sache dann auch vom Tisch. Lässt man sich aber auf die etwas tiefere Ebene fallen, dann wird das Ganze zunehmend komplexer und herausfordernder, denn dann sind die Geschehnisse nicht mehr so einfach auf ein pauschalisiertes feindliches Männerbild herunterzubrechen, das jedem weiblichen Wesen auf zwei Beinen sofort an die Wäsche will. Nein. Lässt man diese Männerdomäne für einen Moment mal beiseite, wird einem schnell klar, dass es in „MEN“ (auch wenn der Titel äußerst verlockend klingt, den Film sofort auf eine primitive Weise reduzieren zu wollen) auch um das Thema Verlust geht, um Einsamkeit, um Schuldzuweisung, und darum, sich von psychischen Lasten nicht mehr befreien zu können. Doch vor allem verdeutlicht er ganz stark, was mit der menschlichen Psyche passieren kann, wenn sie permanenter Gewalt ausgesetzt ist, egal ob physischer oder geistiger Natur, denn ihr wisst ja: Pflanzt man dem menschlichen Gehirn erst einmal einen Gedanken ein, wird er sich dort für immer einnisten. Unweigerlich entstehen Selbstzweifel, die diese eine spezielle Frage vorauswerfen: „Muss ich als Frau gewisse Dinge akzeptieren? Unterdrückung? Häusliche Gewalt? Ist das normal? Darf ich mich zur Wehr setzen?“ Da ich diese Filmkritik beenden möchte, ohne meiner Spezies gegenüber ausfallend zu werden, verzichte ich an dieser Stelle auf eine Beantwortung.


Entgegen vieler Negativkritiken muss ich „MEN“ jetzt wirklich mal in Schutz nehmen: Klar, die Basis der Handlung finde ich jetzt auch nicht gerade umwerfend, aber was Alex Garland („Annihilation“, „Ex Machina“) aus diesem reduzierten Plot gemacht hat, fand ich äußerst inspirierend: Der Sound ist absolut atypisch, sorgt für eine erdrückende, stets beklemmende Atmosphäre, und hat für mich persönlich großen Anteil daran, dass „MEN“ am Ende dieser Review, mit einer richtig starken Bewertung im Genre rausgeht. Aber lasst uns auch kurz über die visuelle Darstellung reden: Da gibt es diesen seltsamen Vermieter (Rory Kinnear), der von Beginn an - in Wort und Tat -  so creepy auftritt, dass dieser gleich als Sinnbild für die Angstzustände der Protagonistin herhalten muss. Fortan hat jede männliche Person, die in diesen Film mitspielt, seine einprägsame Visage verpasst bekommen, seine Synchronstimme, egal ob es sich dabei um den harmlosen Pfarrer im Ort handelt, um ein Kind, das auf der Treppe hockt, um den Betreiber der Dorfkneipe, um einen Polizisten, oder um einen in der Nähe lebenden Hinterwäldler, der nackt durch die Gegend streift und sich Zugang zum Haus verschaffen möchte. Das fand ich richtig beängstigend. Hinzukommt, dass jedes der oben angeführte Themen, inkl. Stalking, von den Männern so gekonnt unter den Teppich gekehrt und verharmlost wird, dass es einer Tortur gleicht, sich das anzusehen und nichts tun zu können, auch wenn gewaltsame Szenen - Gott sei Dank - rar gesät sind.


Fazit:


Um das klarzustellen: Dieser Film ist nicht männerfeindlich, er ist in jeder einzelnen Faser seines Daseins misogyn. Und dieses respektlose, prätentiöse Eindringen in die körperliche und seelische Privatsphäre von Frauen veranschaulicht Alex Garland HERVORRAGEND: Dazu braucht es lediglich eine ambitioniert aufspielende Protagonistin, viel gesellschaftlichen Zündstoff, eine atmosphärische Soundabmischung, und einen Body-Horror-Schlussakt vom Allerfeinsten, der das Erlebte auf die absolute Spitze treibt. Auch wenn der Film „MEN“ im letzten Kinojahr leider völlig untergegangen ist, so zählt er für mich persönlich zum thematisch wichtigsten Drama 2022.


Inhaltsangabe:


Nach einer persönlichen Tragödie zieht sich Harper allein in die wunderschöne englische Landschaft zurück, in der Hoffnung, einen Ort der Heilung zu finden. Aber jemand – oder etwas – aus den umliegenden Wäldern scheint sie zu verfolgen, und was als schwelende Angst beginnt, wird zu einem voll ausgebildeten Albtraum, der von ihren dunkelsten Erinnerungen und Ängsten bewohnt wird.

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