FILMKRITIK: „IM WESTEN NICHTS NEUES“ (Kriegsdrama - 2022)



Also: Kriegsdramen sind für mich immer eine heikle und ganz, ganz schwierige Angelegenheit. Sie sollten einerseits hervorragende visuelle Umsetzungen mitbringen, mit einem enormen Erzähl-Spektrum aufwarten, Mut zur Tiefe in der Darstellung/Charakterisierung der Figuren besitzen, sollten aber andererseits den Krieg per se nicht verherrlichen.

Die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass sich die Regisseure beim Entwurf solcher Kriegs-Szenarien auf hauchzartem Eis bewegen. Meiner Meinung nach richtet der Großteil mehr Schaden an, als dass er Aufklärungsarbeit leistet.

Von der unterhaltsamen Komponente mal ganz abgesehen. Die Range erstreckt sich von „Full Metal Jacket“ und „Schindlers Liste“ über „Jarhead“, bis hin zu „Inglourious Basterds“. Egal ob Christopher Nolan („Dunkirk“), Sam Mendes („1917“ - oscarprämierter One-Cut-Film.), Mel Gibson („Hacksaw Ridge“ - ebenso mit einem Oscar ausgezeichnet), Bigelow, Spielberg, Ayer, usw., jeder interpretiert diese sinnlose, schwanzlängenvergleichende Art der Konfrontation auf seine ganz eigene Weise. (Gibt natürlich noch weitere Produktionen - auch deutsche -, die ich äußerst sehenswert finde, die ich aber jetzt nicht allesamt aufzählen möchte.)

 

Wir haben es hier mit einer Adaption des Romans von Erich Maria Remarque zu tun, der das Geschehen des Ersten Weltkrieges aus der Sicht des Soldaten Paul Bäumer schildert. Mit der Veröffentlichung seines Romans 1928 hat sich Remarque ganz schön viele Feinde eingefangen, allen voran jene Anhänger der nationalsozialistischen Gruppierungen, die ihm einerseits natürlich Rufmord, andererseits fehlende Authentizität vorwarfen. Zwei Fakten - die ich ehrlicherweise vorab gar nicht wusste - habe ich im Zuge meiner Recherche zusammengetragen: Erstens: Dass „Im Westen nichts Neues“ Teil der deutschen Bücherverbrennungen 1933 war, wo viele Exemplare einfach vernichtet wurden. (So erlangt man übrigens ganz unfreiwillig den Status „Weltliteratur“.) Zweitens: Der Titel wurde bereits 1930 verfilmt und in den 30ern auch mit zwei Oscars ausgezeichnet. (In den Kategorien „Bester Film“ und „Beste Regie“ - Damals gab es im Jahr 1930 noch zwei Verleihungen, jeweils eine im April und im November.) Was ich angesichts der Umstände im Land als äußerst bizarr empfinde, schließlich war Deutschland in Aufruhr, bzw. erholte sich gerade von den Kriegs-Strapazen. Verwunderlich nur, dass man einem solchen „Schandwerk“ wie „Im Westen nichts Neues“ den Oscar verliehen hat, wenn man davon ausgeht, dass der damalige Ausschuss (Heute AMPAS) mit Sicherheit von NSDAP-Leuten bekleidet war.

 

Was mache ich nun mit der 2022-Adaption von Edward Berger? Wo reiht sich dieses deutsche Drama ein?

 

Es ist schon überaus beeindruckend, mit welcher Demut, mit welcher Sorgfalt, vor allem mit welcher immensen Kraft Edward Berger diesem Remarque-Klassiker neues Leben eingehaucht hat, beziehungsweise wie viel herzerwärmende Liebe er für die Figurencharakteristik, aber auch für Setting-Details einfließen hat lassen.

Vor allem die visuelle Darstellung des Krieges, mitsamt seinen abartigen Einzelheiten - und mögen sie noch so widerwärtig sein - ist absolut umwerfend. Klar, was soll man aus einer bereits „tot-adaptierten“ Story erzählerisch noch Großartiges rausholen? Da gibt‘s eine klare Vorlage, der Weg ist definiert, der Ausgang glasklar, eigentlich kaum Spielraum für den Drehbuchautor vorhanden. Genau das ist der entscheidende Punkt:

Diese Kombination aus wenig Neues erzählen, vieles Altbewährtes aufgreifen, den Protagonisten in den Mittelpunkt stellen, ihn mit einer hochsentimentalen Persönlichkeit auskleiden und das Ganze dann auch noch optisch so voluminös umsetzen, dass die Sinne des Publikums zwar prompt geweckt sind, aber nicht durch billige Effekthascherei zerstört werden. Und Volker Bertelmann hat für diese bewusst reduzierten, grenzgenialen Sound-Kompositionen den Oscar wirklich verdient! (Obwohl die Konkurrenz dieses Jahr mit Son Lux und Justin Hurwitz echt stark vertreten ist!)


Inhaltsangabe:


1914 bricht in Deutschland der Erste Weltkrieg aus. Paul Bäumer und einige seiner Mitschüler, die von ihren Lehrern dazu ermutigt wurden, melden sich schnell zur Armee, um ihrem Vaterland zu dienen. Kaum sind sie 1917 eingezogen, weicht der freiwillige Geist der Ernüchterung: Ihr Ausbilder legt einen unerschütterlichen Sadismus an den Tag und die ersten Bilder vom Schlachtfeld führen ihnen die Realität des Krieges vor Augen.

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