Rezension: "True Crime“ von Romy Hausmann

Ihr werdet mich jetzt wahrscheinlich für vollkommen verrückt erklären, aber meiner Meinung nach, ist das True Crime Genre eine der kompliziertesten, schwer zu produzierendsten Krimigattungen überhaupt. Schon klar. Dies mag aufgrund der vielen vorliegenden Tatbestände, der Faktenlage, des vorab bestehenden Materials, einen kleinen Widerspruch in sich selbst darstellen, meine Erklärung für diese aufgestellte These ist allerdings recht simpel: Es ist nicht nur verdammt hart, sämtliche Sachverhalte unverfälscht zusammenzutragen, zu filtern und in ein passendes Konzept zu bringen, sondern die Distanz zwischen einem nüchternen dokumentarischen Tatsachenbericht und einem emotionalen Drama zu überbrücken. Ich bin mir ganz, ganz sicher, die liebe Romy Hausmann würde mir an dieser Stelle beipflichten, schließlich weiß sie über die Schwierigkeit der Überwindung dieser Monsterhürde bestens bescheid.

 

Lange Rede kurzer Sinn: Ich liebe den Stil, das generelle Schriftbild von Romy Hausmann seit der erste Stunde.

Ihr Thrillerdebüt - „Liebeskind“ - hat mich schlichtweg umgehauen, war es doch DER frische Wind, den das Genre DRINGEND gebraucht hat. Vor allem ihre Gabe, aus dem absoluten Nichts, derart hochwertige Unterhaltungsliteratur entstehen zu lassen ist schon bemerkenswert. Das gilt selbstverständlich auch für sämtliche Nachfolger.

 

Nun zu ihrem ersten True Crime Spektakel:

Dieses - zugegebenermaßen nicht gerade unkonventionelle - Whydunit-Konstrukt, bestehend aus Vorbericht/Kriminalfall/Motivaufarbeitung, hat mich sofort an der Gurgel gepackt und mich knapp 370 Seiten später, vollkommen verärgert, schockiert, beinahe angewidert zurückgelassen.

Diese nie enden wollende Permanenz und Präsenz der Vergangenheit, diese ständigen Attributs- und Umstandsbeschreibungen in Bezug auf die Opfer haben mich oftmals extrem wehmütig zurückgelassen.

Immer wieder musste ich mir den Ernst der Lage in mein krimiverseuchtes Hirn einprügeln: DAS IST WIRKLICH PASSIERT! DAS IST KEINE ERFUNDENE GESCHICHTE!!!

 

Fazit:

 

Man darf die Idee hinter diesem Buch aber dennoch nicht missverstehen: Die Intention der Autorin war es keinesfalls, ein 1000-seitiges bis ins kleinste Detail ausgeführtes Sachbuch zu schreiben, sondern letztendlich einen authentischen, augenöffnenden Text zu produzieren, der die Wahrheit spricht, die Opfer von grausamen Verbrechen in den Vordergrund stellt und stets versucht, auch die Kehrseite der Medaille ein klein wenig zu beleuchten. Zugegeben: Der Untertitel des Buches - „Was den Menschen zum Mörder macht“ - finde ich irgendwie unpassend, da auf diese Thematik nur oberflächlich eingegangen wird und die Headline eventuell Verwirrung stiftet.

 

Man muss es so deutlich sagen: Hier wird schlicht und einfach brutal gut erzählt.

Auch wenn der Markt zzt. mit True Crime Geschichten regelrecht überschwemmt wird, ändert das nichts an der unumgänglichen Tatsache, dass a) Romy Hausmann eine wahnsinnig begabte Erzählerin ist, b) sie praktisch jedes Genre völlig problemlos mit Leben füllen kann und c) sie stets im Stande ist, aus jeder noch so kleinen Lücke, eine Fülle an Emotionen rauszuholen.

 

Um es abzukürzen: Das True Crime Genre steht ihr unfassbar gut, dort fühlt sie sich (un)wohl, kann tragweite Botschaften transportieren, die der Thriller ohnehin niemals vermitteln könnte. Diesen Weg sollte sie weiterhin gehen, dort kann sie ihre Qualitäten vollends ausspielen. Auch wenn mir da einige von euch widersprechen werden: Das ist für mich persönlich Romys bestes Buch. 

 

Inhaltsangabe:

 

NICHTS IST SO GRAUSAM WIE DIE WIRKLICHKEIT 

 

Mit den hier versammelten Fallerzählungen führt Romy Hausmann den Beweis, dass kein Thrillerautor auch nur annähernd so bizarre Verbrechen schreiben kann wie das Leben. In einfühlsamen Gesprächen mit Angehörigen und Opfern, Tätern und Ermittlern, mit renommierten Richtern, Forensikern, Medizinern und Traumaexperten spürt sie den Fragen hinter dem Offensichtlichen nach. Die Ergebnisse dieser Gespräche verdichtet sie zu einer sehr persönlichen Tagebucherzählung über die Macht der Gefühle von Opfern und Hinterbliebenen, zerstörte Leben und den Versuch, einen Abschluss zu finden. 

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