Gestattet, bzw. verzeiht mir den etwas prompten Einstieg in diese Buchbesprechung, aber ich fühle mich einfach dazu angehalten, aus Respekt, Bewunderung, und vor allem Begeisterung, direkt ins Geschehen einzusteigen und das Kind beim Namen zu nennen: Bernhard Aichner ist für mich der BESTE(!!!), vor allem konstanteste, innovativaste Krimi-/Thrillerautor überhaupt, der sich im Laufe seiner Karriere, insbesondere die letzten Jahre, - auf jede erdenkliche Weise - immer wieder zu steigern wusste und sich einen unfassbaren Wiedererkennungswert erarbeitet hat, der mit NICHTS zu vergleichen ist UND den das Genre so dringend braucht/gebraucht hat! Diese introvertierte, prosaische, immer wieder lakonische Schreibweise, dieser beinahe brachiale, rotzfreche Stilbruch geht ganz klar auf sein Konto, und NUR auf sein Konto! Das darf er sich als einzigartiger Player im Business/Genre (obwohl er bescheiden ist ohne Ende und das niemals machen würde!!!), mit rotem Markierstift auf die verflucht geniale Stirn schreiben!!! Ja, das darf er! Und das sage ich als konstruktiver, objektiver Kritiker. Ich sage das als Bewunderer. Ich sage das als Freund.
Aber ich greife schon wieder vor.
Nachdem ich mich in den letzten Monaten hart, kritisch - und zugegeben ein wenig quälend - durch die Krimibestsellerlisten gelesen, ja fast schon geplagt hatte/habe, bin ich nun an einem speziellen Punkt angelangt: Ich habe keinen Bock mehr auf diesen KrimiThrillerEinheitsBreiMist der nach „Schema F“ getaktet und mittels aufeputschter PR den versierten Leser und Kritiker unter die Nase gehalten wird. Was bin ich froh, dass - alle Jahre wieder - Bernhard Aichner um die Ecke schießt, eine Story im Gepäck hat, bei der man schon im Vorfeld weiß: Die wird so verdammt heiß wie Frittenfett und der Inhalt schmeckt auch noch geil! Totenfrau-Trilogie, Bösland, Der Fund, Kaschmirgefühl, Max-Broll-Krimis, usw. -> Allesamt großartige Erzählungen, die auch noch dazu jede Menge Gemeinsamkeiten haben:
a) Das Schriftbild trägt unverkennbar Aichners Handschrift: Reduzierter, knapper Satzbau. Eigenwillige Sprache. Authentische Charakterzeichnung.
b) Die Monologe/Dialoge, sprich: die Interaktionen seiner Protagonisten untereinander sind - nach wie vor - hervorragend ausgeführt. Sie heben sich nicht nur optisch klar von der Masse ab, auch inhaltlich kommt hier durch den Einsatz von bewusst erzeugter Theatralik, wahnsinnig viele Emotionen rüber und verleiht den Konversationen das gewisse Quäntchen Pathos.
c) Nicht zu vergessen: Die fein konzipierten, aber niemals reißerischen Handlungsstränge, die kunstvoll arrangiert sind, ohne Effekthascherei auskommen und bis zum bitteren (eigentlich gibt es bei Aichner stets einen versöhnlichen, friedliebenden) Schlussakt, immer für Überraschungen sorgen.
Und genauso ist das auch bei Aichners Neuerscheinung „Dunkelkammer“:
Hier werden nicht einfach Versatzstücke aus vorangegangenen Romanen aufgenommen, umgebaut und in einen neuen, speziellen Kontext eingebunden. Nein. Aichner kümmert sich IMMER um die Kernelemente, formiert sich neu, richtet den Blick nur nach vorne, behält den Fokus im Auge und verliert nie den eigentlichen Sinn des Schreibens, nämlich den, zu unterhalten.
Man spürt die Liebe zum Detail, ohne ausschweifend zu werden, die Liebe zur Sprache, ohne zu schwadronieren, die Liebe zum Charakter, ohne ihn zu übersättigen, die Liebe zum Schreiben, ohne überheblich zu werden.
Eine Sache muss man jedoch beachten: Aichner hat in David Bronski einen eigenbrötlerischen, unsympathischen Protagonisten gefunden, der zu Beginn - auf emotionaler Ebene - etwas abgekapselt wirkt, im Laufe der Geschichte aber stetig warmherziger und einnehmender wird.
Genau DAS war der Plan in der Umsetzung und gibt Bronski ein herrlich authentisches Wesen.
Inhaltsangabe:
Es ist Winter in Innsbruck. Ein Obdachloser rettet sich in eine seit langem leerstehende Wohnung am Waldrand. Im Schlafzimmer findet er eine Leiche, die dort seit zwanzig Jahren unentdeckt geblieben war. Ein gefundenes Fressen für Pressefotograf David Bronski. Gemeinsam mit seiner Journalistenkollegin Svenja Spielmann soll er vom Tatort berichten und die Geschichte der Toten recherchieren. Dass dieser Fall jenseits des Spektakulären aber auch etwas mit ihm zu tun hat, verschweigt er.
Seit er denken kann, fotografiert Bronski das Unglück. Richtet seinen Blick auf das Dunkle in der Welt. Dort wo Menschen sterben, taucht er auf. Er hält das Unheil fest, ist fasziniert von der Stille des Todes. Es ist wie eine Sucht. Bronski ist dem Tod näher als allem anderen, er lebt nur noch für seine Arbeit und seine geheime Leidenschaft. Das Fotografieren, analog. Dafür zieht er sich zurück in seine Dunkelkammer. Es sind Kunstwerke, die er hier schafft. Porträts von toten Menschen. Es ist sein Versuch, wieder Sinn zu finden nach einem schweren Schicksalsschlag.
Kommentar schreiben