Rezension: "Der Teufel in der Schublade“ von Paolo Maurensig

Bei aller Liebe für die moderne Unterhaltungsliteratur, aber die Quintessenz der Schriftstellerei, der Ursprung, die Urquelle quasi, auf der das heutige Schriftbild fundiert, ist eindeutig die Klassik. Das ist eine unbestreitbare, indiskutable Tatsache, die sich jeglicher (noch so süffisanten) Debatte entzieht. 

Paolo Maurensig hat eben jene klassischen Elemente zusammengetragen, bringt sie in ein eloquentes, zeitgemäßes Konzept, weiß diese Form der Erzählstruktur zu schätzen, und kreiert eine auf Goethes Faust (ansatzweise) basierende Prabel, in der die Menschen ihren wahrhaftigen Kern repräsentieren können und vor allem sein dürfen, wie es ihnen beliebt und ihre Natur verlangt: eitel, machtgeil, hinterhältig, verschwenderisch, boshaft, neidisch, besessen.


Doch die Menscheit ist durchtrieben und vom versprochenen Reichtum deart geblendet, dass sie den Teufel nicht einmal dann erkennen kann, wenn er in Form eines ekelhaften Gönners auftritt, der zuoberst nimmt und in ganz kleinen Dosen gibt.


Jedenfalls hat Maurensig es bravourös gemeistert, einen kleinen aber feinen Reigen anzufertigen, der zwar viele bekannte Klassiker-Klischees bedient, auf sprachlicher Ebene aber völlig neue Wege geht. Auch in Sachen Charakterentwicklung hat er sich - im Hinblick auf die reduzierte Länge - allergrößte Mühe gegeben, Haupt-, sowie Nebenakteuere in gleichberechtigter Weise zu begleiten.

Doch ein humoristisches Szenario überschattet die gesamte halsbrecherische Aktion: Je mehr sich die Dorfbewohner bemühen dem Ideal zu entsprechen, desto verwundbarer scheinen sie zu sein/werden. Und sie alle haben eines gemeinsam: Sie besitzen die „Gabe“,...talentfrei zu sein.

(Ein Umstand, der einem durchaus die Integration kosten kann.)


Vor allem aber handelt es sich bei „Der Teufel in der Schublade“ um eine herrliche Persiflage auf das Verlagswesen und das zugehörige unverlangte Manuskripte-Bombardement, das es abzuarbeiten gilt. Nicht zu vergessen: Das Aufkommen von Literaturagenturen, die mangelnde Selbstreflexion vieler Autoren, sowie die Rollenverteilungen innerhalb und außerhalb der Lektoratsgrenzen.

Es ist aber auch als charmante Hommage und vor allem als facettenreiche Liebeserklärung an die Literatur gemeint. Das steht fest!


[...]„Mit beachtlicher Regelmäßigkeit erreichten mich Manuskripte mit der Bitte, sie nicht nur zu lesen und meine ‚kompetente‘ Meinung dazu abzugeben, sondern sie möglichst auch einem Verlag zu empfehlen und vielleicht sogar ein Vorwort zu schreiben.“[...] (Damit ist eigentlich ALLES gesagt!)


Inhaltsangabe:


Ein Schweizer Dorf voller euphorischer Möchtegern-Schriftsteller. Und ein Fiesling in Form eines gönnerhaften Verlegers, der die Eitelkeit und den Ehrgeiz des Menschen schamlos ausnutzt. Dass man sich mit dem Teufel einlässt, erkennen die Bewohner des Ortes anfangs nicht. Eine spannende Variation zu Goethes Faust. Mephisto heißt hier Dr. Fuchs, und anstelle des schwarzen Pudels tauchen immer wieder tollwütige Füchse auf. Ein gewitzt-geniales Spiel mit verschiedenen Erzählebenen, in dem die Spannung stetig steigt.

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