Rezension: "Alte Erde“ von Sven Heuchert

Also ich muss gestehen, dass ich ja solche Titel liebe: Jene, die ich lange vor ihrem Release auf dem Schirm hatte, deren ET ich kaum erwarten konnte, die auf meiner Must-Read ganz weit oben rangieren, von denen ich mir aber eher mäßige Unterhaltung erwarte hatte (sry), die dann schlussendlich publiziert werden und mich schlichtweg killen!!! Im positivsten Sinne versteht sich!

 

„Alte Erde“ von Sven Heuchert fällt haargenau in diese Kategorie.

 

Doch warum hat mich dieser Text so begeistert?

 

Zumal ist es die unfassbar interessante Thematik der Geschichte, die momentan an Brisanz und Aktualität wohl kaum zu übertreffen ist, die mich in ihrer Zusammensetzung wahrlich gepackt hat und durchschimmern lässt, dass Sven Heuchert ein Erzähler der ganz besonderen Sorte ist.

Doch was nützt einem die „schönste“ grausame Story, wenn sie hundsmiserabel erzählt wird? Das bringt mich allerdings zum zweiten westentlichen Faktor, der dieser Handlung einen glanzvollen Auftritt beschert: Die sprachliche Ausführung. Die ist nämlich ganz hervorragend. Angefangen bei den kurzen, übersichtlichen Kapiteln, bis hin zur ausführlichen Schilderung der Umstände auf engstem Raum. Es ist diese Mixtur aus lakonischer Schreibweise und detailverliebter Ausschweifung, gepaart mit einer schroffen, markanten, jovialen, beinahe übertrieben lässigen Dialogführung.

Was mich zum dritten erwähnenswerten Punkt führt: Die Charakterzeichnung.

Hier hat Heuchert, wie bereits bei seinem Debütroman „Dunkels Gesetz“, großartige Arbeit geleistet!

Die Figuren wurden allesamt behutsam in die Handlung eingebettet, charmant gezeichnet, stetig weiterentwickelt und hinterlassen somit einen starken, bleibenden Eindruck. Genau so stelle ich mir die Zeichnung von Charakteren vor!

 

Fazit:

 

Mit der Atmosphäre und der schriftstellerischen Präzision eines Gerard Donovan („Winter in Maine“) und der stilistischen Gewalt eines Michael Lister („Selbstauslöser“) bewegt sich Sven Heuchert durch diese selbst entworfene „Triade“ (eig. Vierergespann), die zwar ganz hervorragend funktioniert, aber - gefühlt - bereits von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist/war. Nicht etwa, weil die Personen schlecht miteinander harmonieren, sondern weil in ihrer unkonventionellen Zusammensetzung, Interessenskonflikte und Eifersuchtsprobleme vorprogrammiert sind.

Und genau das LIEBT mein zerstörerischen Ich so sehr!!!

 

Sven Heuchert zeigt ganz klar, dass alte Wunden aufzureißen, mitunter der unangenehmste und schmerzhafteste Angriff sein kann, den ein Menschen überstehen muss.

 

Inhaltsangabe:

 

»Das klopfende Herz. Der Schuss. Die Stille danach.« Abgelegen und ursprünglich ist die Gegend rund um die Dörfer Vierheilig und Altglück. Hier lebt der Revierjäger Wouter Bisch, dessen Ehe seit dem Verschwinden seines Sohnes den Bach runtergeht. Hier lebt Karl Frühreich, allein in dem Haus seiner verstorbenen Mutter, bis eines Tages sein Bruder unerwartet zurückkehrt und alte Wunden aufreißt. Es entspinnt sich eine abgründige Geschichte über das zerstörerische Werk des Zorns und die fatale Wirkung von Begehren und Gier. Und im Hintergrund zersetzt die beginnende Globalisierung der Region alte Strukturen und Gewissheiten und wirkt wie ein Brandbeschleuniger des Unheils.

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