Eigentlich habe ich mir vorgenommen, bei dieser Buchbesprechung direkt ins 230 seitige Geschehen einzusteigen, mich kurz und knapp zu halten, jedoch fühle ich mich irgendwie dazu verpflichtet, das Ganze etwas ausschweifender und detailreicher zu gestalten. Es handelt sich schließlich um keinen Geringeren als Sir Arthur Ignatius Conan Doyle (Geboren in Edinburgh, 1859). Seinerzeit ein berühmter britischer Schiffs-(Arzt), Sportler (Skilangläufer, Fußball Torhüter, leidenschaftlicher Golfer und begnadeter Cricketspieler.), in späterer Folge natürlich Schriftsteller und Freimaurer.
Von 1882 bis 1890 führte er seine kleine Arztpraxis in Portsmouth. Dort entdeckte er seine Leidenschaft fürs Schreiben und verfasste 1883 seinen ersten Roman: „The Narrative of John Smith“, der erst über ein Jahrhundert später publiziert wurde. (2011)
***Anfang Spoiler***
1887 war es dann soweit: Doyle schenkte seiner Kultfigur Sherlock Holmes das Leben, um es ihm 1893 wieder brutal zu entreißen. (Dr. Watson dürfen wir hier auch nicht unerwähnt lassen. Er trägt maßgeblich dazu bei, dass Sherlock einen derartigen Ruhm genießen darf!) Seine Mutter – eine begeisterte Leserin - versuchte das Schlimmste zu verhindern, scheiterte daran; und so kam es, dass Sherlock im finalen Kampf mit Moriarty die Reichenbachfälle hinabstürzt und letztendlich für tot erklärt wurde. Doch Holmes hatte sich wie ein Geschwür in Doyles Kopf eingenistet, weshalb er ihn wieder zum Leben erweckte (und auch deshalb, weil ihn die Leserschaft dafür hasste!), 1902 „Der Hund von Baskerville“ veröffentlichte, und in der Kurzgeschichte „Das leere Haus“ seinen Tod revidierte.
1927 erschien die letzte Holmes-Anthologie. Am 07.07.1930 erliegt Doyle einem Herzinfarkt. (Aufgrund Textlänge nicht erwähnt: Doyles Typhus Erkrankung um 1900, seine kurzlebige Bekanntschaft mit Harry Houdini, die Entstehung Holmes‘ „Nachfolger“ George Edward Challenger, Frauen, Ehen, Kinder, …)
***Ende Spoiler***
Sherlock Holmes hält sich übrigens eisern an der Spitze des Guinness-Buch der Rekorde, denn er ist die am häufigsten auf der Leinwand gezeigte Romanfigur. Außerdem wurde Holmes oft parodiert und
in sogenannten Pastiches aufgegriffen, also in Werken, die vorangegangene Doyle-Stücke imitieren. Ich selbst bin großer Fan dieses Charakters, sodass ich mich getrost weit aus dem Fenster lehnen
und sagen darf, dass er die wahrscheinlich einprägsamste, kurioseste und zugleich am wenigsten verstandene Figur mit autistischem Hintergrund ist, die je in einem Kriminalroman aufgetaucht
ist.
Also. Was soll ich dazu sagen, dass Arthur Conan Doyle sich für die Mysterien echter Verbrechen interessiert hat? Dass er dem Mörder nah sein wollte, um den Whydunit-Charakter
der Tat erfassen, analysieren und schlussendlich verstehen zu können. Dass er versucht hat, die Schaltzentrale für menschliches Fehlverhalten, genauestens unter die Lupe zu nehmen? Dass er
tatsächlich, ein unschuldiges Opfer vor dem Tode bewahren konnte.
Dazu fällt mir lediglich eine Sache ein: Wenn jemand über die Beweggründe (Motive) eines Mordes so strukturiert fabulieren kann, bzw. über den anatomischen Weitblick verfügt (den es für ein
derartiges Unterfangen unbedingt braucht), scheinbar harmlosen Individuen Täterprofile zuordnen zu können, dann ist das wohl definitiv Arthur Conan Doyle. Nicht weil er der Perfekte dafür zu sein
scheint, sondern weil er a) den medizinischen Sachverhalt dahinter erfassen konnte, und b) weil er das notwendige/manische Interesse dafür aufgebracht hatte. Es ist die Kombination aus ärztlicher
Praxiserfahrung, Schriftstellerei und Verbrechensanalyse, die das Ganze zu einer vernünftigen Sache abrunden.
Und so komme ich zu dem Schluss, ganz ohne Pathos, dass Arthur Conan Doyle - nicht nur thematisch - DER perfekte TrueCrime-Autor war, er hatte auch noch das schriftstellerische Feingefühl/Talent, die Thematik gekonnt umzusetzen und über wahre Verbrechen nicht einfach nur zu schreiben, sondern sie taktvoll nachzuempfinden: Sprachgewaltig. Ehrlich. Völlig authentisch. Leute: Diese Schriften sind in ihrer Reinform mehr als 100!!! Jahre alt und haben sich ihre Zeitlosigkeit - mitunter Dank der starken Lektoratsarbeit - bis heute nicht entledigt. Demnach kann ich seitens der Ausführung keinerlei Kritik ausüben. Wenn überhaupt, dann darf/kann man lediglich die Arbeit des Verlages ankreiden (Übersetzung, Aufbereitung, Optik, …), aber auch hier gibt es rein gar nichts zu bemängeln. Ganz im Gegenteil: Man müsste den Herrschaften dafür dankbar sein, dass sie Doyle hochleben lassen, denn genau das hat er sich - auch heute noch - mehr als verdient.
Von meiner Seite gibt es daher eine klare Kaufempfehlung!
Inhaltsangabe:
Ein Leben lang hat sich Arthur Conan Doyle für wahre Verbrechen interessiert, er hat sie studiert und analysiert und sich, wann immer er das Recht beschädigt sah, für Unschuldige stark gemacht. Und er hat über sie geschrieben. Während es in den Erfindungen seiner Sherlock- Holmes-Romane und -Erzählungen darum ging, von vornherein alle Fragen für seinen Detektiv klar auflösbar zu konstruieren, faszinierten Doyle an den realen Fällen gerade die verbleibenden Rätselhaftigkeiten, die offenen kriminalistischen Fragen und die menschlichen, psychologischen und juristischen Abgründe. Dieser Band versammelt Doyles beste True Crime-Schriften, mit zahlreichen Texten in deutscher Erstübersetzung. Dieses Buch enthält: Die Blutnacht von Manor Place, George Vincent Parkers Liebesgeschichte, Der diskussionswürdige Fall der Mrs. Emsley, Der bizarre Fall George Edalji, Ein neues Licht auf alte Verbrechen.
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