Aufgewühlt, fasziniert, ratlos und knapp 460 geballte Seiten Kreuzverhör später, kann ich mich be(un)ruhigt zurücklehnen und verlauten: Will Hill hat mit „After the Fire“ einen verdammt großartigen Roman abgeliefert. Großartig deshalb, weil er imstande war, eine herausragende Protagonistin zu zeichnen, einen sensationellen Plot in eine packende, ergreifende Story umzugestalten UND weil er eine wirklich eingehende Struktur entworfen hat, die der Geschichte umschmeichelt, sie aufwertet und mit steigender Seitenanzahl verbessert.
Die Story per se, basiert auf den wahrscheinlich grausamsten Fundamenten, auf die man ein derartiges Konstrukt aufbauen kann: Hass, Intrigen, Schuldzuweisungen und Verachtungen. Als würde ein mühevoll aufgebautes Kartenhaus aus Lügen in Flammen aufgehen, stundenlang lichterloh brennen und als traurige Asche, völlig verkokelt, zu Boden fallen.
Doch nicht nur die verwobene Handlung spitzt sich dramatisch zu, auch die Protagonistin legt eine beachtliche, schizophren-angehauchte Entwicklung hin, die von vollkommener Katatonie, über die seelische Selbstkasteiung, bis hin zur aufatmenden Resignation reicht. Volles Emotionsprogramm also.
Was den Text des Autors betrifft, so muss man ehrlich sein und ihn schlichtweg als ‚gewöhnlich‘ titulieren, denn zu genormt und frisiert wirkt die sprachliche Ausführung. Spielt hier aber lediglich eine - wenn überhaupt - zweitrangige Rolle, da die prekäre Lage der Charaktere, der Handlungsaufbau, der herrlich kostruierte Ablauf, sowie die Strukturierung des Gesamtkonzeptes und die Entwicklung der einzelnen Storykomponenten - ganz klar - den Ton angeben!
Bleiben wir aber kurz beim Thema ‚Aufbau‘, denn hier hat Will Hill verdammt fette Geschütze aufgefahren, die einerseits an große Leinwandproduktionen erinnern, sich andererseits deutlich vom Mainstream abheben und versuchen, den unkonventionellen Geist der Geschichte zu wecken. Ganz ehrlich: Zuerst dachte ich, dieses am Buchrücken angeführte Statement von der Kirkus Reviews ist doch vollkommener Schwachsinn. („Ein bemerkenswertes Buch über Leid und Freude, über Schuld und Bösartigkeit, über Erlösung und Wahrheit“) Das sind doch willkürlich zusammengewürfelte Begriffe, die Will Hill niemals in Einklang gebracht hat. Nach Beenden der Lektüre muss ich repetieren: Genau um diese dezidiert genannten Schlagwörter/Themen dreht sich diese Brandstifter-Propheten-Sekten-Scheissideologie-Farce.
Auch wenn das Ganze auf den ersten Blick völlig zusammenhanglos, ja beinahe aus dem Kontext gerissen zu sein scheint, so ergibt es hinterher - TATSÄCHLICH - eine schockierende, aber dennoch sinnvolle Gleichung.
Fazit:
„After the Fire“ zeigt auf dramatische, dennoch unterhaltsame Art und Weise, wie kaputt, verkorkst, und vor allem wie psychisch labil ein Mensch werden kann, wenn dessen Gehirn - jahrelang - mit religiösen Müll vollgepumpt wurde. Da kann auch der sektenartige Gemeinschaftsgedanke keinen ernsthaften Trost spenden, wenn man von einer Obrigkeit derart isoliert und kontrolliert wurde, dass man in der echten Welt kaum überlebensfähig ist.
Will Hill hat seiner Protagonistin genau diesen (scheinbar) hilflosen Stempel verpasst, der - nebenbei bemerkt - ganz vielen Menschen da draußen anhaftet und ihnen diesen seelischen Druck, diese ständige Unterdrückung auferlegt. Und abermals dient „Gott“ als vorgeschobener Grund, strikte Regeln aufzustellen und einzuhalten, Handlungen blind auszuführen, die derart schwachsinnig sind, dass nicht einmal der „Allmächtige“ selbst sich so einen Mist ausdenken könnte. Ihr merkt schon: Gott und ich werden in diesem Leben, im nächsten und den abertausenden Leben danach, keine Best-friends mehr.
Zusammenfassend: Will Hill hat seiner Protagonistin Moonbean ein „Gesicht“, bzw. ein Mahnmal verpasst, so markant und einprägsam, dass man ihm dafür schlichtweg gratulieren müsste. Aber auch hinsichtlich der Handlungsentwicklung hat er sich richtig ins Zeug gelegt, sodass am Ende ein hervorragender, extrem spannender Roman entstanden ist, den ich in so einer Form, lediglich im Kino, aber niemals in Buchform erlebt habe. Ich liebe die Dialoglastigkeit des Textes, den ausgewogenen Zeitenwechsel zwischen den Kapiteln, die Dominanz und Eigendynamik mancher Figurenkonstellationen!
Von mir gibt es jedenfalls eine ganz klare Kaufempfehlung!
Inhaltsangabe:
Schwer verletzt liegt die 17-jährige Moonbeam im Krankenhaus und sieht sich einem Psychologen und einem FBI-Agenten gegenüber. Sie, die zu den wenigen Überlebenden nach der schrecklichen Brandkatastrophe gehört, soll erzählen, wie das Leben war auf der Farm der Gotteslegionäre. Wie ist es zu dem schrecklichen Feuer gekommen, wie zu der Schießerei zwischen den Gotteslegionären und der Polizei? So viele sind gestorben. Zögerlich öffnet sich Moonbeam, glaubt, dass man ihr helfen will, und fängt an zu erzählen, wie das Leben vor dem Feuer war und wie das Leben sich danach anfühlt. Eine Sache aber kann sie nicht erzählen. Doch sie muss aussprechen, was sie getan hat, will sie nicht daran zerbrechen
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