Man glaubt es kaum: Beinahe unvorstellbar ist die Sachlage, dass ein in den höchsten Tönen gelobter, vielfach verkaufter, international gefeierter Sci-Fi-Roman, von einem drei Jahre jüngeren Nachfolgeprodukt des Autors - unversehens, eiskalt, aus heiterem Himmel - übertroffen und um Längen geschlagen wird. Blake Crouch ist dieses kuriose Phänomen sobeben widerfahren.
Dies klingt jetzt zwar etwas pathetisch, ich sage dies aber mit dem größtmöglichen Respekt für jemanden, der sich in dieser hart umkämpften Genrelandschaft einen wohlverdienten Platz erkämpft und seinem Namen ein deutliches Markenzeichen vorangestellt hat.
Den Grundstein für diese vorzeigbare Karriere hat er mit seiner „Wayward-Pines-Trilogie“, gelegt, mit „Dark Matters“ gelang ihm der weltweite Durchbruch und „Gestohlene Erinnerung“ baut sein hervorragendes Standing - als einer DER besten Entertainer seines Fachs - um ein Vielfaches aus.
Um es abzukürzen: Blake Crouch ist ein verdammt unterhaltsamer, wirkungsreicher Zeitgenosse. Aber nicht nur die Person hinter der Erzählung ist mehr als vorzeigbar, auch der Inhalt seines aktuellen Titels führt alle relevanten Komponenten, die eine Story vorweisen muss, um schlussendlich Erfolg zu haben: Eine clevere Grundidee. Eine solide Ausgangslage. Ein streng geheimes Forschungsprojekt. Eine Innovation, die der Menschheit Fluch und Segen zu gleichen Teilen beschert. Figuren, die sich zwischen Vernunft und Entgleisung bewegen. Eine aktuelle Thematik. Eine intelligente Aufbereitung. Wegweisend. Transparent. Ein sprachliches Talent, ein stylistisches Gespür. Einem unterhaltsamen Plan, alle Faktoren gewinnbringend einzusetzen.
Zunächst einmal muss ich euch gestehen, dass mich die Erzählung, aufgrund der bemitleidenswerten Historie des Protagonisten, emotional getroffen hat. Ausgehend davon, war es mir ohnehin unmöglich, diese expressive Hauptfigur auszuschließen.
Dieser gefühlsbetonte Charakter der Handlung hatte für mich einen besonders hohen Stellenwert. Er hat - meiner Meinung nach - den „Thrillerpart“ (vor allem zu Beginn) stark dominiert und auch dazu beigetragen, dass die Figuren sehr verletzlich, authentisch, dadurch aber auch äußerst (an)greifbar rüberkamen. Das ist eine Ebene, die man im Genre kaum mehr zu Gesicht bekommt. Entweder wird man mit gequälten Actionszenen verprügelt, oder in einer kitschigen Lovestory ertränkt. Beides sehr unschöne Vorgehensweisen. (Da bin ich äußerst beruhigt, dass Blake Crouch auf eben jene unkontrollierte Dominanz verzichtet und seine ausgewogene Balance gefunden hat.
Fazit:
“Recursion“ (Originaltitel) ist nicht nur wegen der wirklich innovativen, mühevoll ausgearbeiteten Story, wegen des Settingaufbaus, oder der einprägsamen Figurenkonstellationen lesenswert, auch die Thematik einer weltweit produzierzen „Alzheimer“-Pandemie, die in Form einer Inception dem Wirt beigebracht wird, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Ich weiß, es handelt sich vorrangig um einen Roman aus der Science-Fiction-Abteilung, der dazu dienen soll, die Leserschaft bestmöglich zu unterhalten. Crouch bietet allerdings mehr, denn: Neben der rasanten Actionhandlung, darf man sich auch auf eine thematische Abarbeitung vieler schlüssiger Sinnfragen stellen, die unser aller Leben betreffen, zumindest jedoch streifen.
Inhaltsangabe:
Der New Yorker Detective Barry Sutton steht vor einem Rätsel: Ein geheimnisvolles Phänomen quält die Menschen mit falschen Erinnerungen und treibt sie damit in den Tod. Auch die Hirnforscherin Helena Smith weiß schon lange um die Macht der Erinnerung. Um diese zu bewahren, entwickelte sie eine Technologie, die uns unsere kostbarsten Momente noch einmal erleben lässt: den ersten Kuss, die Geburt eines Kindes. Doch nun bedroht ihre Erfindung das Schicksal der Menschheit. Im Kampf gegen einen übermächtigen Gegner versuchen Helena und Barry, eine Katastrophe zu verhindern – aber auch auf die Wirklichkeit ist bald kein Verlass mehr…
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