Rezension: "Der Revolver“ von Fuminori Nakamura

Einen geladenen Revolver auf offener Straße zu finden, grenzt mit hoher Wahrscheinlichkeit an Zufall. (Die danaben liegende Leiche mal außen vor gelassen!) In Erwägung zu ziehen, die Waffe aufzuheben, ist unüberlegt. Sie mit nach Hause zu nehmen, mutig. Sie zu benutzen,...dämlich. Einen Menschen damit zu ermorden,...eiskalt.


Nakamura hat mit „Der Revolver“ nicht nur einen unterhaltsamen, - in seiner menschlichen Denkweise - höchst dubiosen „Kurzroman“ geschaffen, er hat damit auch eine wichige, moralische Grundsatzdiskussion vom Zaun gebrochen, die sich im Kopf des Lesers manifestiert, ausbreitet, zum Nachdenken anregt, Selbstzweifel aufkeimen lässt, und über das eigene (un-)menschliche Dasein richtet.


Wann wird Interesse zu Leidenschaft?


Wann wird Leidenschaft zur Obsession?


Wann wird Obsession zur Bedrohung?


Was bedeutet es, besitzergreifend zu sein?


Welche Verhaltensweisen sind erstrebenswert, welche akzeptabel, welche verwerflich?


Was ist richtig, oder falsch?


Zurück bleibt ein - im besten Sinne - negativ ausgelegter Beigeschmack, der den grauen Gehirnzellen aprupt auf die Sprünge hilft, über die eigenen Fehltritte im Leben nachzudenken. Welche essentiellen Richtungswechsel eingeschlagen werden, welche Wege beschritten werden müssen, welche und vor allem wie viele Kollateralschäden man hinterlassen darf, entscheidet der Mensch noch immer selbst, auch wenn er ein völlig kaputtes Produkt seiner selbst ist, feig umherwandert und sich von grässlichen Außenfaktoren manipuliert lässt. Den Schlusspunkt zu setzen, obliegt dem Individuum. Jederzeit.


Um es kurz zu machen: „Der Revolver“ hat bei mir einen bleibenden (positiven) Eindruck, eine geistige Narbe, eine unsauslöschliche Kerbe hinterlassen, für die ich Nakamura dankbar sein muss. Inhaltlich wie stilistisch zieht er hier seine eigenen Kreise (Die Anlehnung an Murakami ist auf jeden Fall da!), kreiert einen vernünftigen, angemessenen Sound, lässt den Mainstram kompromisslos links liegen und baut auf diese kurze Distanz, Nähe zum Leser auf. Ein Unterfagen, das viele Autoren bereits vor eine unüberwindbare Hürde platziert hat.


Am Ende dieser knapp 240-seitigen Reise steht ein intensives Gesellschaftsportrait, ein dramatisches Kippbild der menschlichen Fehlbarkeit, ein Loblied auf die Mechanik und die Beschaffenheit des Colts, und nicht zuletzt, eine Ode an die Verherrlichung materieller Dinge, mit drastischem Auswuchs.


Inhaltsangabe:


In einer Regennacht findet ein junger Mann in den Straßen von Tokio eine Leiche – und neben ihr einen Revolver. Nishikawa nimmt die Waffe an sich und entwickelt schon nach kurzer Zeit eine unheimliche Obsession. All seine Gedanken, sein ganzes Leben kreisen um das perfekte kleine Wunderwerk. Und um die vier Kugeln, die sich noch immer in der Trommel befinden. Irgendwann ist es nicht mehr genug, die Waffe zu besitzen. Er muss sie abfeuern.

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