Kaum zu glauben, dass Patrick Süskinds magische und zugleich verheerende Tragödie - „Das Parfum“ (1985/Übersetzungen in 48 Sprachen; bisher weltweit mehr als 20 Millionen mal verkauft) - bereits 34 Jahre alt ist. Eine Geschichte, eine äußerst dicht geführte Erzählung, die den leidvollen Weg eines Ausgestoßenen in poetischen Bildern beleuchtet, nie parteiisch wird, elegant anmutet, sich aber sehr distanziert verhält, und dennoch gefühlvoller nicht sein kann.
Eine Geschichte, die den Werdegang eines von Beginn an zum Scheitern verurteilten Jean-Baptiste Grenouille in den Mittelpunkt stellt,...eine Figur, die keineswegs liebenswert sein soll, eine Figur, die in ihrem Fanatismus bewundert werden will, eine Figur, die Absolution erfahren möchte, eine Figur, die Mitleid und Hass gleichermaßen verdient hat. Wie ihr seht, oder mit Sicherheit auch schon selbst erfahren habt, dreht sich bei Süskind ALLES um den Protagonisten. Die Story per se wird eher zweitrangig behandelt, die Entwicklung des Charakters spielt hier ganz klar die entscheidende (Haupt-)Rolle.
Thema: Buchverfilmung. Ich weiß, Literatur auf Leinwand zu bannen, stellt jeden Drehbuchautor/Filmemacher vor eine unfassbare Herausforderung. Viele Projekte sind daher schon vor Drehbeginn zum Scheitern verurteilt. „Das Parfum“ gehört - meiner Meinung nach - definitiv nicht dazu. Hier hat man sich sehr liebevoll an die Originalvorlage gehalten, eine passende Cast zusammengetrommelt und das Ganze dann schlichtweg gut umgesetzt.
Nun schreiben wir das Jahr 2019; Süskind meldet sich nach langjähriger Schreibabstinenz mit einer kargen, beschnittenen, 60-Seiten-Short-Story zurück, die auch Jean-Jaques Sempé mit seinen wundervollen Illustrationen nicht zu verlängern vermag.
Die Sachlage ist jedenfalls klar: Ein (Schach-)Duell zweier völlig unterschiedlicher Kontrahenten soll für Klarheit sorgen. Austragungsort: Jardin du Luxembourg. (Paris) Emporkömling gegen Champion. Frechheit gegen Cleverness. Erfahrung gegen Kaltschnäuzigkeit.
Entscheidend ist hier aber nicht etwa die Frage, welche Dame die Verteidigungslinie zuerst durchbricht, welcher König zuerst die Flinte ins Korn wirft, sondern wessen Nervenstrang zuerst überstrapaziert wird, wer zum plötzlichen Publikumsliebling aufsteigt, wer das (ständig wechselnde) Momentum auf seiner Seite hat, wer den ersten Fehler begeht und wer - das dürfte wohl die entscheidenste Komponente sein: wer übersteht den Generationenkonflikt unbeschadet, wer geht als Sieger in diesem ungleichen Kampf hervor.
Äußerst bewundernswert finde ich zudem die Herangehensweise, Schach als Philosophie, als Mutter des Denksports wirken zu lassen. Die Intensität, die dahinter verborgenen Leidenschaft des Spiels wurde punktgenau in Szene gesetzt. Es wurde von Süskind ganz klar darauf hingearbeitet, das Spiel als Waffe der mentalen Kriegsführung darstellen zu lassen.
Im Endeffekt handelt es sich hierbei um eine klassische Ode an das Spielwesen, eine Huldigung des Duellgedankens, der speziell im Tête-à-Tête unermesslich zu sein scheint. Die Angst zu verlieren, zugeben zu müssen, der Gegenüber könnte möglicherweise cleverer, aufmerksamer, schneller, mutiger sein, raubt einem schlichtweg den Verstand. Süskind bring diesen Zwist des mentalen Konfliktes in gekonnter Manier zu Papier und lässt seine kreative Ader immer wieder mal durchscheinen. Sprachlich gesehen, darf man sich abermals Wohlüberlegtes erwarten, das durch die netten Illustrationen von Sempé ein Stück greifbarer gemacht wurde.
Man muss aber auch zugeben, und dies bei allem mir möglichen Respekt, dass ca. 20 geschriebene Buchseiten (Der Rest besteht aus Illustrationen), ein vollkommen kastriertes Leseerlebnis darstellt. In Kombination mit dem HC-Preis, könnte dies dem Leser eventuelle sauer aufstoßen. Ganz klar.
Aus oben genannten Gründen und weil ich ein großer Fan dieser wunderbaren Ausgabe bin, gibt es von meiner Seite eine ganz klare Kaufempfehlung!!!
Inhaltsangabe:
Zwei Männer spielen Schach im Pariser Jardin du Luxembourg. Der eine ist ein genialischer Emporkömmling, der andere ein alter Champion, der in seinen Denkmustern gefangen ist. Wem schenkt das Publikum seine Gunst? Wessen König fällt zuerst?
Kommentar schreiben