Rezension: "Cari Mora“ von Thomas Harris

Wenn sich jemand mit der Psyche von Serienkillern und deren heimlichen Einschleusung in die Gesellschaft auskennt, dann ist das mit Sicherheit Thomas Harris.

 

Schließlich hat er DEN grausamsten Kannibalen der Literaturszene entworfen, dem es nicht nur zu gefallen scheint, Menschenfleisch auf dem Tablett liegen zu haben, sondern auch sichtlich Freude bereitet, in den Geist der Opfer einzutreten und von Innen zu zerfressen. Mit der Zeichnung dieser Kultfigur hat es der Autor nicht nur geschafft, Bestsellerstatus zu erlangen, die ganze Weltbevölkerung in mentale Schutt und Asche zu legen, er ist auch irgendwie verantwortlich dafür, dass keine einzige Menschenseele Anthony Hopkins mehr über den Weg traut.

Die Ausprägung dieser geistig abnormen Figur hat sich derart erfolgreich in den Köpfen der Leser manifestiert, dass es gar keine andere Möglichkeit gab, als Hannibal Lecter in Serie gehen zu lassen. (Roter Drache - Das Schweigen der Lämmer - Hannibal - Hannibal Rising)

 

Cari Mora (Der Titel gibt unweigerlich Aufschluss darüber, wer sich im Zentrum der Erzählung befinden könnte!) kommt mit einem ähnlichen, aber dennoch unabhängigen Konzept daher. Auch wenn sich einige Parallelen zu den Lecter-Romanen feststellen lassen (Die Erzählweise, die Charakterisierung seines Protagonisten, den Aufbau der Handlung,...), so hat Thomas Harris stets versucht, dem Killer neues Leben einzuhauchen, auch wenn er letztendlich - in Sachen Grausamkeit - kaum an Hannibal Lecter heranreicht.

Man muss aber anmerken: Es ist abermals deutlich spürbar, dass er sich stark an das Erfolgskonzept seiner Vorgänger angelehnt und dieses Kopf-an-Kopf Duell zwischen Opfer und Täter in den Fokus gestellt hat. Und so bildet erneut ein weiblicher Dreh und Angelpunkt den Kern des Geschehens, da er es meiner Meinung nach abermals für sinnvoll erachtet hat, einem Serientäter, und mag er noch so grausam sein, mit Verständnis und einem Mindestmaß an Mitgefühl zu begegnen. Ob das verwerflich ist, ob dies der Pro oder Contra Seite zugeschrieben werden muss, das hat letztendlich nur der Autor zu entscheiden.

Das Wesentliche ist hierbei aber die inhaltliche Komponente, denn in Sachen Handlungsaufbau, Charakterzeichnung, Gestaltung von Settingelementen/Atmosphäre, die Verwendung von „stiltechnischen“ Mitteln, da muss man Thomas Harris nichts vormachen. Der Erfolg, der jahrelange Bestsellerstatus und die sachbezogene Qulität seiner Vorgänger sprechen eine ganz klare Sprache.

 

Bevor ich es ganz vergesse: Was lässt sich jetzt explizit zum Inhalt von "Cari Mora" sagen?

 

Ganz einfach: Altbewährtes, wie den bedachten Aufbau einer neuen Handlung und die Integration eines äußerst prägnanten Antagonisten funktioniert auch nach der schriftstellerischen Dürrezeit bestens. Auch wenn er dieses Mal einiges an Erzähltempo rausgenommen und sich viel um die Weiterentwicklung seiner Figuren bemüht hat, kann hier von Langeweile trotzdem kaum die Rede sein.

Hat man erstmal die patzige Übersetzungsarbeit beiseite gefegt, die kunterbunt zusammengemischten Storyfetzen in Reih und Glied gebracht, akzeptiert man, dass die Erzählung/der Plot sich mehr als deutlich von der Inhaltsangabe entfernt, bleibt unterm Strich eine dennoch interessante, aber etwas karge, seichte Killer-Charakterstudie übrig.

 

„Cari Mora“ wird mit Sicherheit viele Leser begeistern, jede Menge positiv gestimmte Abnehmer finden, doch mich persönlich hat Thomas Harris mit dieser Geschichte weder emotional, noch intellektuell (heraus)gefordert. Aus diesem Grund kann und will ich hier nur eine bedingte Empfehlung aussprechen.

 

Inhaltsangabe:

 

Millionen Leser haben das teuflische Spiel zwischen Serienkiller Hannibal Lecter und FBI-Agentin Clarice Starling verfolgt. In der kongenialen Verfilmung mit Anthony Hopkins und Jodie Foster kamen Millionen Zuschauer hinzu. Jetzt ist Thomas Harris zurück und schickt einen Killer ins Rennen, der erneut für schlaflose Nächte sorgt. 

 

 

Die Schreie einer Frau sind Musik in seinen Ohren. Er ist groß, blass, haarlos, und wie ein Reptil liebt er die Wärme. Menschen begegnen ihm mit Angst und Ekel. Er ist daran gewöhnt. Denn wenn sie das Monster in ihm erkennen, ist es meist zu spät. Bis der Killer sich Cari Mora aussucht. Die junge Frau hat keine Angst vor dem Grauen und wagt es, dem Dämon ins Auge zu blicken. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Ulrike (Montag, 29 Juli 2019 12:11)

    Liebe Leser,

    gestern habe ich das Buch „Cari Mora“ zu Ende gelesen.

    Ich hatte mich so drauf gefreut. Endlich ein neues Buch von Mr. Harris.

    Ich fühle mich unheimlich betrogen!
    Nichts, aber auch wirklich nichts was auf dem Rücken des Buches zu lesen war passiert in diesem Buch.

    Wenn ich etwas über den Safe von Escobar, oder irgendwelchen kolumbianischen Gangs hätte lesen wollen (was mich überhaupt nicht interessiert!!) dann hätte ich mir ein anderes Buch gekauft.

    Cari Mora spielt in diesem Buch eine minimale Nebenrolle. Auch der angebliche Bösewicht, Hans-Peter Schneider..... puh.

    Ich hatte zwischendurch schon den Einband abgenommen und geschaut, ob ich vielleicht ein anderes Buch lese.

    DAS war für mich kein Thomas Harris. Ich bin maßlos enttäuscht und fühle mich wirklich übers Ohr gehauen!!!

    € 22,- für so einen Mist.

  • #2

    schwartz, gerd (Donnerstag, 11 Februar 2021 04:23)

    Bei Thomas Harris denkt man sofort, was für ein genialer Jongleur zwischen eleganter Ausdrucksweise und abgrundtiefer Bosheit. Was für ein Künstler. Ich habe seine Bücher über Hannibal zuhause und lese sie immer mal wieder und stets mit Genuss. Nun habe ich Cari Mora gelesen, freute mich drauf endlich wieder mal was von Th.H. und bin enttäuscht. Ich habe das Gefühl das er eine ewige Schreibpause in der Sonne gemacht hat, warum auch nicht. Eventuell wurde ihm langweilig und er dachte sich: Ach, komm alter Junge hau mal wieder einen raus... Und dabei vergaß das auch ein Virtuose ohne Übung aus dem Tritt kommt. Schade, leider ging das Wagnis in die Hose und es kam nur ein fades Geklimper dabei heraus... Geh wieder an den Pool und mach`s gut Thomas. Und danke für Hannibal. LG. aus Hamburg