Rezension: "Elm Haven“ von Dan Simmons

Verzeiht mir bitte den etwas brachialen Einstieg in diese Buchbesprechung, aber ich muss gleich zu Beginn etwas loswerden: Horrorliteratur ist ja ein überaus erfrischendes Genre, das ich mit höchster Begeisterung lese, feiere und schlussendlich auch rezensiere. Leider habe ich mit den Büchern von Dan Simmons - hin und wieder - so meine kleinen Probleme gehabt. Beispielsweise haben mich weder „Der Berg“ noch „Terror“ derart vereinnahmen können, sodass ich getrost auf begeisterte Luftsprünge verzichtet habe.

Meist waren es ähnliche Kritikpunkte, bzw.

haben sich immer wieder mal dieselben Macken eingeschlichen. Entweder waren die Protagonisten zu wenig ausgereift, die Story hat über die gesamte Strecke an Unterhaltungswert verloren, oder der klassische rote Faden hat gefehlt und Dan Simmons hat sich im schriftstellerischen Nirwana verloren. Schade. Die Vorurteile meinerseits sind also da, lassen sich leider nicht so einfach tilgen und haben mich bislang etwas gehemmt, noch einmal zum Simmons zu greifen. Neues Spiel, neues Glück.


Zugegeben: Als ich erfahren habe, dass man seine beiden Werke „Sommer der Nacht“ und „Im Auge des Winters“ in einen Sammelband zusammenfassen wird, war mein Interesse - trotz Differenzen - sehr schnell geweckt. Einerseits weil ich auf dieses bombastische Cover total abgefahren bin (Leider bin ich ein hilfloses Opfer, das sich von optischen Eindrücken völlig manipulieren lässt! Schuldig!), andererseits wollte ich endlich meine Vorurteile beiseite schieben und mir selbst die Chance einräumen, eine - wenn auch nicht vollständige - Meinungsänderung herbeiführen zu können. Der Klappentext, sowie das am Buchcover abgedruckte Stephen King-Statement („Eines der wenigen Bücher, die man gelesen haben muss!“) haben mir dann - ehrlicherweise - den Rest gegeben. Obwohl ich die leise Befürchtung hatte, mit einer billigen „Es“-Kopie abgespeist zu werden, habe ich das Bevorstehende dennoch relativ wertfrei auf mich zukommen lassen.


Nun: Wo fange ich am besten an?


ICH FAND ES EINFACH GROSSARTIG!!!


Ganz ehrlich: Das Ding hat - in kombinierter Version zumindest - über 1000 Seiten und Simmons hat ganz schön viel dafür getan, den Leser hier bei Laune zu halten. Die Handlung ist richtig stark, um die Charaktere hat er sich gleichermaßen gut gekümmert und auch die Nebeneffekte (Protagonisten-Background, weitere Handlungsstränge, Nebenfiguren,...) wurden sinnvoll in die Hauptstory eingebettet. Hinzukommt, dass „Elm Haven“ - untypisch für das Genre - verdammt gut geschrieben und übersetzt wurde. Dies lässt sich sehr häufig an der Art und Weise des Satzbaus, der Wortwahl, aber auch an der chronologischen Strukturierung einzelener Passagen erkennen.

Um nun den Vergleich mit Stephen King aufrecht zu erhalten: Schon klar, King schreibt füllender, intensiver, weitsichtiger, überproportionierter.

Aber auch wenn er als „King of Horror“ gehandelt wird,...geht mir persönlich dieses notgedrungene „Handlung in die Länge ziehen“ ziemlich auf den Wecker. Nicht immer, aber es kommt durchaus vor, dass ich Bücher nach der ersten Halbzeit genervt zur Seite lege, weil mir das Alles schlichtweg zu aufgeblasen ist. Ernsthaft Leute: The Stand - 1700 Seiten - ganz schön harter Stoff, oder?!

Bei Dan Simmons verhält sich das Ganze dann etwas komprimierter, zugänglicher, leicht verdaulicher, wohl dosierter.

Unterschiedlicher Inhalt, unterschiedlicher Aufbau, grundverschiede Figurenkonzeptionen. Müsste man jedoch das Schriftbild der beiden Herrschaften miteinander vergleichen, so würde es mit Sicherheit - wie in guten alten Schulzeiten - heißen: „Da hat aber bestimmt einer abgeschrieben, oder?“, so sehr ähneln sie sich im Endeffekt.

Aber wenn ihr jetzt glaubt, Dan Simmons wäre bloß die rosarote Mädchenversion von Stephen King, dann muss ich euch leider etwas enttäuschen. Dieser Kerl ist in vielerlei Hinsicht für Überraschungen gut, das lässt sich nach Beenden dieser Lektüre eindeutig festmachen.


Man darf also summieren:

‚Elm Haven‘ ist intensiv, empathisch, detailreich,  aber niemals überbordend. Eine hervorragend geschriebene, wohldosierte Coming-of-Age-Story mit Horror-Versatzstücken, die nicht nur überaus authentisch anmutet, sich unendlich athmosphärisch anfühlt, sondern auch stellenweise dazu in der Lage ist, den Leser durch unheimliche Elementen zu faszinieren und ihn gekonnt hinterm Ofen hervorzulocken. Ständig war ich an eine feine Kombination aus „Es“, „Der Keller“ und „December Park“ erinnert, die man mit einer fetten Prise „Stranger Things“ aufgepeppt hat.

(Eine - im positiven Sinne - tödliche Mischung.)

Und noch etwas: Ich stimme dem Horror-Altmeister vorbehaltlos zu, wenn es im Einband heißt: „Dan Simmons schreibt wie ein Gott. Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich ihn beneide!“


Demnach lasse ich meine ganzen Vorurteile gegenüber Simmons ziehen, wurde gerne eines Besseren belehrt und kann Freunden des Genres diese beiden Titel wärmstens empfehlen.


Inhaltsangabe:


Es ist der Sommer 1960. Die schwüle Hitze macht allen in Elm Haven, Illinois, schwer zu schaffen, und die Tage fließen träge dahin. Für die fünf Freunde Mike, Duane, Dale, Harlen und Kevin wird diese Zeit zum Sommer ihres Lebens, dessen Ereignisse ein unzerstörbares Band der Freundschaft und des geteilten Grauens zwischen ihnen schmieden werden. Denn noch ahnen sie nicht, was im Keller ihrer Schule lauert. Noch liegt Elm Haven friedlich in der Sommerhitze …


Mit "Elm Haven", das die beiden Romane "Sommer der Nacht" und "Im Auge des Winters" enthält, hat Dan Simmons einen großen Klassiker der amerikanischen Horrorliteratur geschrieben.


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