Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen: Dieser von William Lindsay Gresham 1946 verfasste Roman ist unglaubliche 73(!!!) Jahre alt, fühlt sich beim Lesen aber so ambitioniert, so ausdrucksstark an, als hätte er ihn erst letzten Monat im Lektorat abgegeben.
Eine Festa-Glanzleistung - man muss das so deutlich hervorheben -, diesen großartigen Titel aus der Versenkung zu holen und ihn als Deutsche Erstausgabe zu präsentieren.
Aber nicht nur die wirklich gut konzipierten Außeneinflüsse machen hier einen verdammt guten Eindruck, auch inhaltlich bekommt man Erstklassiges geboten: Man kann die Verzweifelte Gier nach Aufmerksamkeit, die Neider, die von Geldgier geprägte Banalität des Lebens, die Primitivität der Unterhaltungsbranche „(Wander-)Zirkus“ förmlich spüren. Es lässt sich bereits im ersten Kapitel erahnen, wie zerstreut und kaputt, im Gegenzug auch aufregend, diese Welt der Alleinunterhalter gewesen sein muss. Wie Magier, Zauberer, Hellseher und Dompteure ihr Publikum begeisterten, ihre miesen, billigen Tricks vollführten, und die ahnungslosen Zuschauern um viel Geld erleichterten. Eine Welt, die auch in der Modernen - nach wie vor - ihren Platz findet.
Nach Beenden dieser von Feindseligkeiten und scharlatanhaften Einschlägen durchzogenen Handlung bleibt mir nur noch eines zu tun: Den Hut zu ziehen! Und zwar vor dem hervorragenden Setting, der einprägsamen Atmosphäre und den eigenständigen, markanten Protagonisten. Man muss aber anmerken: Das Fiese an dieser Geschichte lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Erst wenn man etwas tiefer gräbt, die verkorkste Oberflächlichkeit der Charaktere beiseiteschiebt, legt sich der wahre hinterfotzige Kern frei: Scharlatane an jeder Ecke, selbstgerechte Artisten so weit das Auge reicht, Manipulationen, Selbstinszinierungen, menschenverachtende, unwürdige Bedingungen, Dreck und eingetrocknetes Blut an Schuhen und Händen. DAS sind die essentiellen Bestandteile, die William Lindsay Gresham perfekt in Szene gesetzt hat. Leider fand seine Erfolgsgeschichte ein dramatisches Ende, das sich am 14. September 1962 als tragischer Selbstmord manifestierte. Seine Geschichte aber bleibt bestehen, überdauert die Jahre und hat überhaupt nichts an Zeitgeist einbüßen müssen.
Eines sei euch an dieser Stelle aber anzuraten: Die Vorstellung der Charaktere zu Beginn der Geschichte kann unter Umständen etwas diffus wahrgenommen werden. Unser Tipp: Prägt euch unbedingt das Wesen der Figuren ein, blättert zurück, lest Passagen erneut, lasst euch Zeit damit, so räumt ihr mögliche Zweifel aus dem Weg und könnt euch voll und ganz auf die Story konzentrieren.
„Es geht nur um Irreführung, Süßer. Du brauchst keine schicke Bühne, keine Falltüren, keine Tricktische. Ich behaupte immer, wer sich die Zeit nimmt und lernt, wie man Leute in die Irre führt, kann einfach in die Tasche greifen, irgendwas in einen Hut stecken, es dann wieder rausziehen und dann sperren alle Mund und Nase auf und fragen sich, wo das plötzlich hergekommen ist“
Kurz und schmerzlos: Ich bin - wie kann es bei Festa-Must-Read Titeln auch anders sein - restlos begeistert und kann jedem diesen außerordentlichen Roman empfehlen!
Inhaltsangabe:
Stanton Carlisle lernt die schmutzigen Tricks der Jahrmärkte und wird zum skrupellosen Gauner. Er gibt sich als spiritueller Guru aus, um die Reichen und Schwachen auszunehmen. Doch sein Spiel der Täuschungen und Lügen treibt ihn geradewegs in die Albtraumgasse …
Mit effektiver Atmosphäre und außergewöhnlicher Prosa geschrieben, ist Nightmare Alley mehr als ein großes Drama: Stantons entschlossener Aufstieg und der unvermeidliche Sturz ins Verderben ist die röntgenscharfe Durchleuchtung des 'american dream'.
Nightmare Alley erscheint im Festa Verlag als deutsche Erstveröffentlichung.
Pressestimmen:
Time magazine: 'Nightmare Alley kombiniert die gruselige Welt von Tod Brownings Film Freaks mit dem eigenwilligen Zynismus eines Jim-Thompson-Romans.'
Palm Beach Post: 'Stan Carlisle ist ein gutaussehender Betrüger, der sich langsam die Nahrungskette hinabarbeitet – ein Roman, in den kein Lichtstrahl eindringt.'
Los Angeles Times: 'Der ›Albtraum‹ des Titels trifft es genau … der amerikanische Traum wird umgedreht. Die Vorstellung, dass die menschliche Kreatur in einer Falle lebt, der sie niemals entfliehen kann, stammt aus der Seele des Autors. Nie war Noir autobiografischer … Nightmare Alley bleibt ein Meisterwerk. Das menschliche Tier ist allein, hilflos angesichts des Schicksals, und stolpert durchs Dunkel.'
James MacBride: 'Ein 1A-Guignol mit einem Hauch von schwarzer Magie.'
Jack Conroy: 'Gresham hat etwas von Nelson Algrens gehässiger Kraft, mit der er die Menschen der untersten Schicht darstellt.'
Chicago Reader: 'Dieser Roman verschlingt geröstete kleine Cormac McCarthy-Romane zum Frühstück.'
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