Rezension: "Tannenstein“ von Linus Geschke

Alles beginnt mit diesem seltsamen Fremden, diesem Wanderer im Flanellhemd mit Karomuster, der sich beginnt einzuschleichen, dazuzugehören, unauffällig zu werden, nur um die Gemeinschaft hinterrücks aus dem Verkehr ziehen.


„Er war zu einem Teil des Dorfes geworden, aber nicht der Gemeinschaft. Fast wie ein Straßenschild, das die Behörden aufgestellt hatten und das man anfangs noch beachtete, bis man sich irgendwann so an seinen Anblick gewöhnt hatte, als wäre es schon immer da gewesen.“ [...] 


Alles beginnt mit dieser gefühlt „distopischen“, plötzlich auftretenden Atmosphäre, die sich - wie ein hoch ansteckendes Virus - über die gesamte Handlungskonzeption auszubreiten scheint.


„Es gab hier keine Touristen-Attraktionen, keine Ausflugsorte und keine Bundesstraße, die zu bekannteren Zielen führte. [...] Hier kam man nur hin, weil man hier wohnte oder jemanden besuchen wollte, der hier wohnte. Und wenn man kam, kam man mit dem Auto.“


Alles beginnt mit diesem unfassbar starken „Prolog“, der sich wie eine authentische, blitzartig auftretende Eingebung von Linus Geschke anfühlt, und nicht wie eine leere Phrasenaneinanderreihung, die in einem stundenlangen Prozess, versucht wurde, krampfhaft herbeigeführt zu werden. Es beginnt mit diesem düsteren Dorf, mit diesem Zivilisationsüberbleibsel, diesem scheinbaren Zufluchtsort,...Tannenstein. Es beginnt mit einem tödlichen Täuschungsmanöver, zu dem der ausführende Part nur dann fähig ist, wenn er das eigene Leben als unwürdig erachtet. Es beginnt mit einer Schusswaffe, einer Glock , Halbautomatik, neun Millimeter,...mit einem vollen Magazin, siebzehn Schuss und grausamen Absichten. Es beginnt mit einem Blutbad.


Was mich an diesem - erstmalig unter dtv-Flagge veröffentlichten -  Buch von Linus Gschke so fasziniert, ist die authentische Zeichnung seiner Figuren. Durch dieses Vorhaben, seinem Protagonisten die Bad-Cop-Rolle zuzuschanzen und ihn zum Zentrum seiner Handlung auszumachen, hat sich Linus Geschke bei mir viele Sympathiepunkte abgeholt. Man hat merkwürdigerweise sofort das Gefühl, als Leser für ihn Partei ergreifen zu müssen, obwohl er das Gesetz öfter gebrochen hat, als so manch anderer Schwerverbrecher vor ihm.

Und das auch noch als Ermittler.

Es scheint aber diese ausgewogene Mischung aus Mitleid und Bedauern zu sein, die diesen Charakter so attraktiv macht. Gerade eben diese typischen negativen Merkmale eines Antagonisten, sind dem verbitterten, vom Leben gezeichneten Ex-Cop perfekt auf den Leib geschnitten worden. Fairerweise muss man hier aber anmerken, dass er auch allen Grund dazu hat, schmerz- und hasserfüllt zu sein, schließlich ist ihm die Liebe seines Lebens abhanden gekommen, soll heißen: Sie wurde kaltblütig ermordet. Keine guten Aussichten also, diese Misere noch irgendwie in ein fröhliches Happy End umbauen zu können, oder?!


Auch schriftstellerisch hat sich der Autor weiterentwickelt, ist empathischer, detaillierter geworden, fühlt sich tiefer in die Gegebenheiten und in die Gefühlswelt der Figuren ein. Dass der Gute Krimis schreiben kann, hat er ohnehin schon mehrfach unter Beweis gestellt. Doch „Tannenstein“ wirkt strukturierter,...als hätte sich seine Lust am Schreiben auf diesen Inhalt projeziert.


Von meiner Seite gibt es natürlich eine klare Empfehlung!


Inhaltsangabe:


Zeit der Rache

Wenn der Wanderer kommt, sterben Menschen. Elf in Tannenstein, einem abgelegenen Ort nahe der tschechischen Grenze. Ein Tankwart im Harz, eine Immobilienmaklerin aus dem Allgäu. Der Killer kommt aus dem Nichts, tötet ohne Vorwarnung und verschwindet spurlos.

Der Einzige, der sich ihm in den Weg stellt, ist Alexander Born: ein Ex-Polizist mit besten Kontakten zur Russenmafia. Einst hatte der Wanderer seine Geliebte getötet, jetzt will Born Rache – und wird Teil einer Hetzjagd, die dort endet, wo alles begann: Tannenstein.


»Mehr als nur ein blutiger und sprachgewaltiger Thriller. Fast schon eine Sensation!« (Verena Thies, Bayrischer Rundfunk)

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