Rezension: "Kill ‘Em All“ von John Niven

Unfassbar: Ganze 11 Jahre(!!!) lang hat John Niven seinen (provokanten) Vorzeigekiller Steven Stellfox im literarischen Bunker vergammeln lassen. (Den Gastauftritt in „Gott bewahre“ mal ausgenommen!) Nun ist es endlich soweit: Sein kompromissloser, von Neid und Hass zerfressener Anti-Held ist zurück, ist des Mordens keinesfalls überdrüssig geworden und will es noch einmal wissen,...frei nach dem Motto: „Auch mit siebenundvierzig Jahren kann man einen hirnlosen Vollidioten erpressen. Mit siebenundvierzig Jahren kann man einem Menschen noch ganz wunderbar den Schädel einschlagen. Mit siebenundvierzig Jahren ist man noch lange nicht zu alt, um einen gepflegten Mord zu begehen!“


Zu Stellfox‘ Verteidung: Der arme Kerl wollte im Auftaktroman „Kill Your Friends“ doch Niemanden verletzen, er hatte anfangs ja gar nicht die Intention, Jemanden zu töten,...er ist da irgendwie, naja,...unglücklich reingerutscht. Das rechtfertigt zwar das ganz Blut vergießen und die Leichenberge in keinster Weise, könnte aber möglicherweise das Unverständnis der Leser Stellfox‘ Handlungen gegenüber mildern. Möglicherweise!


Jedenfalls hat John Niven auch in „Kill ‘Em All“  wieder alle Hände voll zu tun, seinen Protagonisten von der erdrückenden Anklagebank zu befreien und ihn in eine recht seltsame Handlung zu integrieren. Denn eines ist sicher: Inhaltlich haben wir es hier mit einer dann doch etwas schwerfälligeren, teils ekelerregenden Story zu tun, die zwar ein ziemlich breites Feld an Möglichkeiten/Handlungsspielraum bietet, die Gefahr aber nicht ausschließt, sich als Leser in diesem kunterbunten Genre-Mix zu verlieren. Ein zweischneidiges Schwert also.

John Niven löst die Problematik, eine sinvolle Struktur in diesen verwirrenden Zirkus aus Selbstverherrlichung und Musikindustrie-Farce zu bringen, relativ pragmatisch.

Außerdem positiv anzumerken: Ein außergewöhnliches Markenzeichen von John Niven, ist die Art und Weise, wie er seinen Protagonisten erzählen lässt. Nicht nur, dass er ihm - zusätzlich zu seinem fetten Ego - die Ich-Perspektive verpasst hat, auch die Tatsache, dass er ihn äußerst penetrant mit dem Leser kommunizieren lässt, platziert ihn am obersten Charakterisierungs-Olymp! Definitiv!


Nimmt man schlussendlich die Inhalte beider Romane zusammen, so ist bei mir folgendes hängen geblieben:


- Geld regiert die Welt!


- Geld verdirbt den Charakter!


- Hast du Kohle - Hast du Jachten - Hast du Jachten - Hast du Weiber - Hast du Weiber - Hast du Sex - Hast du Sex - Hast du Selbstwertgefühle - Hast du Selbstwertgefühle - Hast du scheinbar alles richtig gemacht. (Nicht zu vergessen: Alkohol u. Drogen; wusste bloß nicht wie ich die Dinger da unterkriege! 😂)


- Ein selbstloser Gefallen = Eine Chance, VIEL Geld zu verdienen.


- Eine Plattenfirma zu besitzen ist scheisse.


- Eine Band zu gründen ebenso.


- Der Produzent einer Plattenfirma hat die dicksten Eier, Musiker die kleinsten.


- Einen Menschen kaltblütig zu ermorden scheint lukrativer und sinnvoller zu sein, als ehrliches Geld zu verdienen.


- Erfolgreicher Künstler = Egoschwein = Junkie = Alkoholiker/Drogensüchtiger = Sexmonster = Psychisch labil = Hoffnungslos = Selbstmordgefährdet


- Die Vulgarität der Sätze, die ordinären Kraftausdrücke, die leserbeleidigenden Floskeln werden vollkommen missinterpretiert und sollten zum normalen Standardrepertoire eines Menschenfeindes gehören.


- DAS IST verdammt nochmal EINE SATIRE auf die Musikindustrie der letzten Jahre und deren mitwirkenden Interpreten, die man - „Gott bewahre“! - nicht allzu ernst nehmen sollte!


Um es abzukürzen:


John Niven spielt die Satire-Klaviatur wie kein kein Zweiter. Er hält der High Society - in vulgärster Ausdrucksweise - den traurigen, aber ernst zunehmenden Spiegel vor. Er weiß genau wo er literarisch ansetzen muss, um unterhaltsame Literatur zu schaffen, oder eine authentische Figur wie Stellfox ins Leben zu rufen, die zugegebenermaßen, eine meiner Lieblingsfiguren darstellt. Kein Wunder, schließlich benutzt er Worte wie: Pisspott, Unterschichtenprolls und Durchschnittsmongo! Herrlich, aber oft sehr grenzwertig.

Um aber ehrlich und fair zu bleiben, hat sich „Kill ‘Em All“ dann doch wie eine erweiterte Kopie seines Vorgängers angefühlt, der es etwas an Tiefgang und Innovation gefehlt hat. Jetzt kommt das große ABER: Wäre Niven nicht so ein unfassbar talentierter Romanautor,...hätte diese Fortführung seines - mittlerweile verfilmten - Bestsellers NICHT funktioniert, da bin ich mir ganz sicher!

Da er aber über sein Talent bestens Bescheid weiß, dieses auch noch gekonnt einzusetzen weiß, hat er aus diesem leider etwas plattgetretenen Thema, eine kleine Wiedergeburt aus dem Ärmel geschüttelt.

Den kannst du doch über jede noch so stinklangweilige Thematik schwadronieren lassen, es würde immer ein vorzeigbares, erfolgreiches Konzept zustande kommen.


In diesem Sinne: „ Ich liebe es, mich zu rächen, wenn mich jemand über den Tisch gezogen hat. Üben Sie immer Vergeltung. Im Geschäftsleben müssen Sie es Menschen, von denen sie abgezockt wurden, immer heimzahlen. Sie müssen sie dann fünfzehnmal so schlimm abzocken. Das tun Sie nicht nur, um die Person dran zu kriegen, die sie über den Tisch gezogen hat, sondern auch, um anderen zu zeigen, was mit ihnen passiert, wenn sie Sie über den Tisch ziehen. Wenn jemand Sie angreift, zaudern sie nicht. Zielen Sie auf die Halsschlagader.“


Von mir gibt’s auf jeden Fall eine Empfehlung!!!


Inhaltsangabe:


2017 – die Ära von Trump, Brexit und Fake-News. Zwanzig Jahre sind seit Steven Stelfoxs mörderischem Rundumschlag in Kill Your Friends vergangen. In Gott bewahre trat er noch einmal als unerbittlicher Juror der größten amerikanischen Casting-Show in Erscheinung. 


Nun, mit siebenundvierzig Jahren genießt er ein geruhsames Jetset-Leben. Wenn er Langeweile hat, verdingt er sich als Berater in der Musikindustrie. Und löst Probleme. 


Und sein alter Freund James Trellick, mittlerweile CEO der größten amerikanischen Plattenfirma, hat ein massives Problem: Sein Künstler Lucius Du Pre ist der erfolgreichste Popstar auf Erden. Nun ja, er war der erfolgreichste Popstar auf Erden. Inzwischen ist er ein hoffnungsloser Junkie und unberechenbares Sexmonster. Um die irrsinnigen Vorschüsse wieder einzuspielen, ist eine weltweite Comeback-Tour geplant. Doch dafür müsste er erst wieder in Form kommen. Und es gilt einen Erpressungsversuch abzuwenden - ein Video mit kompromittierenden Szenen, das nie an die Öffentlichkeit gelangen darf.


Pressestimmen zu „Kill Your Friends“:


"Das 'American Psycho' der Musikindustrie. Schade nur, dass sich auch die englischen Kollegen mittlerweile nicht mehr die beschriebene Menge Drogen leisten können." (Tim Renner, Motor Entertainment) 


"In 'Kill your Friends' zeichnet Niven die schmutzigen Seiten des schmutzigen Geschäfts noch schmutziger, als wir es uns in unseren schmutzigsten Träumen vorstellen." (TAZ) 


"Eine rasante und rabenschwarze Satire auf die letzten goldenen Jahre der Musikindustrie". (Christoph Dallach, Spiegel online) 


"Eine knüppelharte Satire auf die Welt der Reichen und Schönen." (ARD Morgenmagazin)


"Ein Hooligan von einem Buch. Und jeder, der noch an das Gute in der Musik glaubt, kriegt's hier mit einer mit Nägeln versehenen Baseballkeule besorgt! Für mich das Buch des Jahres!" (Bela B.)


"In 'Kill your Friends' zeichnet Niven die schmutzigen Seiten des schmutzigen Geschäfts noch schmutziger, als wir es uns in unseren schmutzigsten Träumen vorstellen."

(TAZ)

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