Stephen King ist für mich in vielerlei Hinsicht ein wahres Phänomen. Zum einen hat er so unfassbar viele Bücher geschrieben, noch viel mehr Bücher verkauft und anscheinden noch ganz viel mehr Ideen im Kopf. Kein Wunder, dass eine rießengroße Fangemeinde ihn als Genre-Messias feiert und dankbar dafür ist, dass er auch noch Jahrzehnte nach seinem Debüterfolg, so gewaltige Storys raushaut!
Für mich: Das Faszinierendste an seiner Arbeit als Schriftsteller ist, dass er seine Protagonisten mit Glacéhandschuhen anfasst und ihnen die nötige Aufmerksamkeit widmet, die sie meiner Meinung nach auch verdient haben. Hinzukommt, dass er sich - auch heute noch - unglaublich viel Mühe macht, seine speziellen Handlungen qualitativ an den Mann zu bringen. Außerdem hat er eine unbändige Lust am Erzählen, die sich in immer wieder an der Seitenanzahl, sowie an der Dichte seiner Erzählungen gut ablesen lässt.
Stephen King würde niemals in einen Haupthandlungsstrang einsteigen, würde niemals darauf hinarbeiten, den Leser von Beginn an mit Effekthascherei zu ködern. Niemals. Nicht sein Ding. Vielmehr gibt er sich selbst genügend Raum und Zeit, verschafft sich durch seine Art des Erzählens viele Möglichkeiten seine Geschichte zu lenken und zu transportieren. Und: Er konzentriert sich IMMER, ja wirklich IMMER auf das Wesentlichen: Seinen Charakteren ein Gesicht zu geben.
Dass er verschiedene Handlungsansätze so scheinbar einfach miteinander verbinden kann, seine grauenhaften Horrorelemente (die stets Sinnbilder der Wirklichkeit darstellen) dann auch noch unaufdringlich und sinnvoll in die Story miteinzubinden vermag, unterstreicht doch sein schriftstellerisches Vermögen ungemein. Fabulierkunst hin oder her, egal ob man seine Imaginationskraft zu schätzen weiß oder nicht, ein Großmeister seines Faches wird er immer bleiben. Dies wird sich auch über den Tod hinaus nicht verändern.
Man darf niemals vergessen, dass er das Genre - in dreifacher Hinsicht (als Stephen King, John Swithen und als Richard Bachman) - so maßgebend, so deutlich und kraftvoll mitgeprägt hat, dass man es hier kaum in Worte fassen kann. Und das Ganze seit 1972!!! Eine unfassbare Leistung, vor der man - im positiven Sinne - kopfschüttelnd den Hut ziehen muss.
Auch in „Sleeping Beauties“ bleibt er seiner klaren Linie treu, rückt keine einzige Zeile von seiner altbewährten Form ab, versucht aber in Sachen Handlung sich stets neu zu erfinden. Er entwirft Figuren, die zu verabscheuen sind und aufgrund des Backgrounds dennoch am Herzen liegen. Er spricht abermals gesellschaftskritische Theman an, weitet sie aus, treibt sie förmlich auf die Spitze der Vorstellungskraft und schafft es zudem auch noch, Komponenten seines persönlichen Daseins miteinfließen zu lassen. Ganz im Stile eines großartigen Buchautors/Biographen.
Ein netter Sidekick in „Sleeping Beauties“ ist die Tatsache, dass er sich Hilfe von Owen King geholt hat, der dafür zuständig zu sein scheint, seiner Geschichte einen moderneren Touch zu verleihen. (So hatte es für mich zumindest den Anschein!) Randerscheinungen wirken viel reifer ausgearbeitet, Nebencharaktere wurden klarer definiert, das Setting hat sich nunmehr der „Neuzeit“ angepasst und auch den Nebenhandlungssträngen wurde mehr Wichtigkeit beigemessen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Söhnchen hier seine Finger mit im Spiel hatte. Oder ich bin völlig auf dem Holzweg und „Owen King“ hat sich lediglich auf dem Cover verewigt, ohne auch nur eine einzige Zeile beigesteuert zu haben. Wer weiß das schon?
Aber nun Schluss mit der Lobhudelei, zwei kleine Kritikpunkte muss ich noch schnell loswerden: 1. Gefällt mir die Übersetzungsarbeit stellenweise gar nicht. Teilweise klingen die Sätze echt gestelzt, die Wortwahl wirkt etwas klobig und konstruiert. 2. Finde ich die Daloge oft sehr, sehr übertrieben, fast schon kitschig.
Fazit:
Stephen King holt abermals zum krassen literarischen Befreiungsschlag aus und gibt mit „Sleeping Beauties“ jeder verletzen, unterdrückten, missbrauchten Frau eine wirkungsvolle Stimme. Als hätte sich „Carrie“ vertausendfacht und es sich zur Aufgabe gemacht, die ganze verdammte männliche Rasse auszurotten! Dies auch noch mit solch unbamherzigen Charme zu tun, grenzt fast an Genialität.
Klare Kaufempfehlung!
Inhaltsangabe:
Die Welt sieht sich einem faszinierenden Phänomen gegenüber. Sobald Frauen einschlafen, umhüllt sie am ganzen Körper ein spinnwebartiger Kokon. Wenn man sie weckt oder das unheimliche Gewebe entfernen will, werden sie zu barbarischen Bestien. Sind sie im Schlaf etwa an einem schöneren Ort? Die zurückgebliebenen Männer überlassen sich zunehmend ihren primitiven Instinkten. Eine Frau allerdings, die mysteriöse Evie, scheint gegenüber der Pandemie immun zu sein. Ist sie eine genetische Anomalie, die sich zu Versuchszwecken eignet? Oder ist sie ein Dämon, den man vernichten muss? Schauplatz und Brennpunkt ist ein kleines Städtchen in den Appalachen, wo ein Frauengefängnis den größten Arbeitgeber stellt.
Pressestimmen:
»Der neue Roman ist mit seinen fast tausend Seiten ein epischer Kraftakt, aber ganz mühelos, unangestrengt.« (Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung)
»Ein Schauderspaß für kalte Winterabende.« (BILD)
»Eine erstaunlich gelungende Mischung.« (dpa)
»Die Kings haben wohl passend zur aktuellen Sexismus-Diskussion das Buch des letzten Stündleins des Patriarchats geschrieben.« (STERN)
»Eine klassische King-Geschichte, die gesellschaftliche Themen aufgreift und mit 960 Seiten zu einer Art gedrucktem Netflix wird, das zum exzessiven Lesen verführt.« (Berliner Morgenpost)
»Bunter, verspielter Horror.« (Kurier)
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