Rezension: "Das Mädchen und der Träumer“ von Dacia Maraini

Man muss es gleich zu Beginn hervorheben: Dacia Maraini hat in dieser vielschichtigen Erzählung einen besonderen Ton getroffen, der einerseits tiefgründig, andererseits in gleichem Maße leicht und unbeschwert rüberkommt. Dadurch hebt er sich klar vom Massengeschäft ab und etabliert sich als eigene Spezies seiner Gattung. Außerdem ist es Maraini hervorragend gelungen, sofort (ohne konstruierte Umwege) ins Handlungsgeschehen einzusteigen, ihr schriftstellerisches Niveau über die gesamte Lesedauer konstant zu halten und ihren Roman, die Abarbeitung eines bedrückenden Themas, feinfühligen und ohne große Effekthascherei zu Ende zu erzählen.

Zudem lässt sie den Kern der Geschichte, das Rätsel um das Verschwundene Mädchen niemals aus den Augen und fokusiert sich stets auf das Wesentliche.

In Sachen Charakterisierung der Figuren hat sich die Autorin ebenfalls eine intelligente Herangehensweise überlegt: Ständig - vor allem zu Beginn deutlich spürbar - lässt sie ihren Protagonisten über Suggestivfragen in Selbstmitleid aufgehen, lässt ihn relativ häufig innere Monologe führen, produziert damit jede Menge Selbstzweifel, und schürt schlussendlich, einen immerwährenden Kampf mit sich selbst. Das Interessante dabei: Maraini versucht stets die Suche nach dem verschwundenen Mädchen in den Mittelpunkt zu stellen und baut sämtliche Nebenhandlungen um den Kern der Geschichte auf.


Fazit:


Dacia Maraini - eine mir vollkommen unbekante Autorin - hat mit ihrem Roman „Das Mädchen und der Träumer“, einen durch und durch finsteren, bis ins Mark erschütternden Roman geschrieben, der die Schattenseiten der Einsamkeit aus einer ganz speziellen Perspektive beleuchtet. Außerdem gibt sie einigen wichtigen Themen wie z.b.: den allgegenwärtigen Glaubenskonflikten, den auf der Welt herrschenden Rassenproblemen,...die Chance, sich Luft zu verschaffen. Mittel zum Zweck ist ihr - im positivem Sinne - bemitleidenswerter Protagonist Nani Sapienza, der durch seine ‚Ich-Erzählstruktur‘ unfassbar viele Einblicke gewährt, oben angeführte Themenschwerpunkte als Lehrerdasein aufarbeitet und somit als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte auftritt.


Lange Rede kurzer Sinn: Diese Story ist richtig stark. Melancholisch, düster, feindselig und vor allem extrem spannend.


Ganz klare Empfehlung!!!


Inhaltsangabe:


Träume sind Bruchstücke einer Wirklichkeit. Das weiß der Lehrer Nani Sapienza, als er von einem Mädchen träumt, das seiner verstorbenen Tochter ähnlich sieht. Nachdem er am Morgen danach von der vermissten Lucia im Radio hört, ist er überzeugt, dass sie ihm im Traum erschienen ist. Lucia ist spurlos verschwunden, und nach Wochen der vergeblichen Suche geben Polizei und Eltern auf. Nur Nani hört nicht mit seinen Schlussfolgerungen und besessenen Nachforschungen auf und zieht den Argwohn der Kleinstadt auf sich – aber seine Schüler der vierten Grundschulklasse, die nie genug von den wundersamen Erzählungen ihres Lehrers bekommen, bringt er zum Nachdenken. Die Suche nach Lucia wird bald zu einer Suche nach sich selbst.

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